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Wie man sie zum Schweigen bringt

Wie man sie zum Schweigen bringt

Titel: Wie man sie zum Schweigen bringt
Autoren: Leena Lehtolainen
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dem einflussreichen Kommunalpolitiker, der zugleich sein Jagdfreund war, zu pflegen. Vielleicht hatte Laine nicht gewusst, dass Rahnasto ein Mörder war, und hatte lediglich versucht, mir Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Seine Krankschreibung wurde bis zum August verlängert, doch schon vor Mittsommer kursierte das Gerücht, Laine werde der neue Leiter der Wachabteilung bei Rahnasto Industrial Security Service.
    In der letzten Stadtratssitzung vor der Sommerpause wurde Rahnasto von allen Ämtern entbunden. Durch die Ämterrotation rückte Eila Honkavuori zur stellvertretenden Vorsitzenden des Stadtplanungsausschusses auf.
    »Ich mache mir Sorgen um Tommi«, sagte sie. »Er hockt ganz allein in seiner Wohnung und sieht sich immer wieder Fotos von Petri an .  « Ich war bei ihm gewesen und hatte ihm alles berichtet, was mit Petri Ilveskivis Tod zusammenhing. Draußen war es über dreißig Grad warm, doch in der Wohnung herrschte Novemberstimmung. Alles war sauber und düster, dunkle Vorhänge hielten die Sonne fern. Dutzende von Kerzen flackerten, und überall standen Fotos von Petri. Vielleicht empfand Tommi das blühende Leben außerhalb des Hauses als Verhöhnung seiner Trauer.
    »Tommi hat praktisch nur durch Petri gelebt. Er hat keine eigenen Freunde. Ich habe ihn ins Konzert und zu uns nach Hause eingeladen, aber er will nicht .  «
    Die Tensen-Männer hatten das Gleiche gesagt, aber Eva hatte sie ermahnt, nicht aufzugeben. Ich erinnerte mich zurück, an meinen Kollegen Ström und meine Mitschülerin Sanna, und dachte daran, wie leicht es war, einen vor Trauer gelähmten Menschen allein zu lassen. Einen Menschen, der keine Dankbarkeit für all die Zuwendung erkennen ließ, der einen vor den Kopf stieß und fortschickte, um weiterzujammern. Und dann kam der Tag, an dem es zu spät war. Das sagte ich auch zu Eila, aber sie wusste es bereits. Sie würde Tommi nicht allein lassen.
    »Turo und ich haben noch einmal über das Thema Kinder nachgedacht«, erzählte sie. »Wir haben beschlossen, eine Adoption in die Wege zu leiten. Ein Baby gibt man uns nicht, aber wir sind bereit, ein älteres Kind zu adoptieren. Jemandem ein Heim zu geben, der keins hat. Vielleicht ist das unsere Bestimmung .  «
    »Das wäre nicht die schlechteste Bestimmung .  «
    »Wir stellen keine Bedingungen. Herkunft, Geschlecht oder Gesundheitszustand spielen keine Rolle. Wenn man selbst ein Kind austrägt, stellt man ja auch keine Qualitätsanforderungen. Es ist verrückt, aber ich habe das Gefühl, dass irgendwo ein Kind ist, das gerade auf uns wartet. Hoffentlich müssen wir uns nicht allzu lange gedulden .  «
    Ich hatte versprochen, im Herbst mit ihr zum Bauchtanz zu gehen, der seit Jahren ihr Hobby war. Ich sehnte mich nach Abwechslung, nach weichen, weiblichen Bewegungen als Ergänzung zum Fußball und zum Gewichtheben. Wir waren auf dem besten Weg, Freundinnen zu werden.
    Suvi Seppälä dürstete nach Rache. Der Tod hatte Marko in ihren Augen fast zum Heiligen gemacht. Sie redete sich ein, er habe Ilveskivi nur leicht verletzen wollen. Dass die Situation außer Kontrolle geraten war, sei Pech gewesen. Sie wollte von Rahnasto eine halbe Million Finnmark Entschädigung fordern. Eine Regenbogenillustrierte finanzierte der trauernden Familie Ferien auf Mallorca und erwarb den Alleinanspruch auf Suvis Lebensgeschichte.
    Die Medien spekulierten über die Gründe, die einen Mann wie Rahnasto zum Mörder gemacht hatten. Auch ich grübelte darüber nach, als ich die Videoaufnahme seiner Vernehmungen sah. Er blieb beharrlich bei seiner Behauptung, Seppälä nur einmal flüchtig begegnet zu sein, als er ihm Feuer gab, und in seinem glatten, unpersönlichen Gesicht rührte sich nichts. Den Versuch, mit gefälschtem Pass nach Estland zu reisen, begründete er mit dringenden geschäftlichen Verpflichtungen.
    Seine Exfrauen sagten aus, er sei gewalttätig gewesen, seine Angestellten dagegen sprachen bewundernd über die Leistungsfähigkeit und den grenzenlosen Ehrgeiz ihres Chefs. Bei der Ausbildung zum Reserveoffizier war Rahnasto als hervorragende Führungspersönlichkeit eingestuft worden. An seiner glatten Oberfläche schien nichts haften zu bleiben. In zynischen Momenten sagte ich mir, dass er sich vermutlich auch vor Gericht herauswinden würde.
    Wir hatten noch keine neue Bleibe gefunden, doch an Mittsommer fing der Urlaub an. Allmählich gefiel mir der Gedanke umzuziehen. Wir hatten immerhin schon knapp fünf Jahre in Henttaa
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