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Wie man leben soll: Roman (German Edition)

Wie man leben soll: Roman (German Edition)

Titel: Wie man leben soll: Roman (German Edition)
Autoren: Thomas Glavinic
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Conny ein paar Tage mit ihren Eltern verreist, fährt man mit gesteigerter Unruhe durch die Stadt. Mit einem Mal hat es keinen Sinn mehr, unterwegs zu sein, denn es ist unmöglich, Conny zufällig an einer Straßenecke zu sehen. Man ist niedergeschlagen.
    Man telefoniert mit Laura. Sie treffe sich mit Freunden, sagt sie. Vielleicht könne man sie später nach Hause bringen. Man beendet das Gespräch mit einem Gefühl dumpfen Zorns. Sie wirkt so gleichgültig, so beherrscht, alles scheint an ihr abzuprallen.
     
    Wenn einem in solcher Stimmung ein Betrunkener ins Auto kotzt, ist man darüber nicht recht froh.
    An einer Tankstelle hält man und macht sich daran, die Sitze zu reinigen. Diese Arbeit dauert eine halbe Stunde. Danach stinkt das Auto noch immer so, dass man niemandem zumuten kann, darin befördert zu werden. Während man lüftet, trinkt man im Tankstellencafé eine Limonade.
    Wenn nach einer halben Stunde der Wagen noch immer nicht betriebsbereit ist, kehrt man ins Café zurück, flucht über sein Karma und kauft eine Zeitung. Die feiernde Runde, die man zuvor beobachtet hat, löst sich auf. Eine etwa fünfzigjährige Frau kommt unsicheren Schrittes auf einen zu. Ob man im Dienst sei. Ihre Weinfahne ist schauderhaft.
    Unter Zuhilfenahme drastischer Bilder erklärt man die Umstände, die einen hergeführt haben, in der Hoffnung, ihr so alle Transportwünsche aus dem Kopf zu schlagen. Sie bekommt einen Lachkrampf. Man fühlt ihre Hand auf der Schulter. Frauen,merkt man, können auch im Vollrausch sanft sein, Frauen können zugleich ekelhaft und sanft sein.
     
    Merke: Männer können nur eines von beidem sein.
     
    Sie bestellt sich ein Glas Veltliner. Ob man etwas dagegen habe, wenn sie warte, bis man das Auto wieder benützen könne. Es bleibt einem nichts übrig, als auf den freien Stuhl neben sich zu weisen.
    – Was machst du heute noch?, fragt sie mit schwerer Zunge, nachdem man sie minutenlang keines Blickes gewürdigt hat.
    – Arbeiten.
    Wieder hört man eine Weile nichts als das Pfeifen der Espressomaschine.
    – Wenn du mich nach Hause bringst, könntest du gleich mit raufkommen.
    Man starrt sie an. Ihre Augen sind glasig. Sie kann den Blick nicht halten.
    Wenn man von einer betrunkenen Vettel bedrängt wird, sollte man aufspringen, einen Geldschein auf die Theke legen und aus dem Café laufen. Man wird feststellen, dass die Frau einem etwas hinterherschreit. Man setzt sich ins Auto und fährt los.
    Nun unterliegt man der Pflicht, Erika anzurufen, eine von Hans-Peters Nachtfahrerinnen, und sie zu bitten, an der Tankstelle vorbeizusehen, um die Betrunkene nach Hause zu bringen. In ihrem Zustand kann sie überall landen. Und auch wenn man sich vor ihr geekelt hat, will man ihr gewisse Dinge ersparen.
    Wenn man den Hörer auflegt und endlich sieht, dass vorhin jemand angerufen hat, hört man den elektronischen Anrufbeantworter ab. Da es Conny war, die selbstverständlich keine Nummer hinterlassen hat, boxt man vor Enttäuschung gegendas Lenkrad. Man fährt zum Drive-in und holt sich zwei Cheeseburger und einen BigMac.
    Später meldet sich Laura. Sie bleibe noch ein wenig. Man müsse sie nicht abholen. Im Hintergrund hört man Lärm, Musik, Lachen. Man stellt sich auf einen leeren Standplatz. Man dreht das Radio ab. Es ist stockfinster. Ab und zu fährt ein Auto vorbei. Man senkt die Fensterscheibe. Von weit her dringt der Trubel eines Tanzlokals.

 
    Wenn man eine Weile als Taxifahrer gearbeitet hat, konstatiert man, dass der rote Walter ein Schnorrer ist. Früher, als man nichts verdient hat, ist er nie mit der Bitte um eine kleine Anleihe an einen herangetreten. Nun sitzt er jede Woche mit Hundeblick auf seinem Bett und murmelt etwas von einem Fünfhunderter. Es sei ein dringender Notfall. Man bekomme das Geld bald zurück. Woher er es nehmen will, verschweigt er. Seit der Computer in seinem Zimmer steht, hat man ihn nicht mehr arbeiten sehen.
    Man gibt ihm seinen Fünfhunderter.
     
    Wenn man bei Vollmond im Taxi sitzt, wundert man sich nicht, als eine alte Frau einsteigt, die nicht weiß, wo sie wohnt. Ihre Verwirrung ist so groß, dass sie gar nicht merkt, dass sie mit einem kleinen Jungen, wohl dem Enkel, unterwegs ist. Er rutscht als Erster auf den Rücksitz, sie setzt sich auf ihn. Man muss den Kleinen befreien. Derartiges scheint er gewohnt zu sein, denn er beschwert sich nicht. Die Straßenbahn hält sie für die Eisenbahn, doch das kann ihr der Kleine ausreden. Sie glaubt, sie sei in
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