Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie kommt das Salz ins Meer

Wie kommt das Salz ins Meer

Titel: Wie kommt das Salz ins Meer
Autoren: Brigitte Schwaiger
Vom Netzwerk:
welche Nummer wir haben? Wenn wir das Zimmer nicht finden, wird er eine Meldung erstatten. Aber Rolf findet die Nummer ganz leicht, schiebt mich durch die Tür, sperrt hinter mir ab, steht aber doch neben mir, nein, er geht nicht weg, er zieht sich jetzt aus. Hinter dem Vorhang dort ist sicher ein Fenster. Ich habe schwarze Vögel gesehen, als wir aus dem Auto ausstiegen. Ob die frieren im Schnee? Warum mußten wir eigentlich im Winter heiraten? Es ist so kalt, daß ich baden muß. Rolf sagt, daß Baden mit vollem Magen ungesund ist. Aber ich habe ja so wenig gegessen. Wer ist in der Hochzeitsnacht an Nasenbluten gestorben? König Attila! Das habe ich mir gemerkt aus dem Geschichtsunterricht, weil der Frechste aus der Klasse zum Professor sagte: Der mußte ja seine Nase überall hineinstecken! Der flog später aus dem Gymnasium, weil er zu oft ohne Aufforderung sprach. Vielleicht bekommt Rolf einen Herzanfall, während ich bade. Ich ziehe mich langsam aus. Eine Bombe könnte explodieren im Hotel. Jetzt gibt es ja überall Bomben. Versöhnlicher Gedanke, daß schon jemand vor mir diese Handtücher benützt hat. Und noch viele nach mir werden sie benützen. Wenn man sich ganz langsam ins Badewasser gleiten läßt, kitzelt das angenehm an den trockenen Hauträndern. Ich bleibe liegen, bis das Wasser kalt ist. Ich reibe mit den Handtüchern, bis die ganze Haut rot ist. Was kann ich noch tun, damit er inzwischen einschläft? Der Schlafrock, den die Schwiegermutter für mich nähen ließ, hat lange Bänder. Man kann die Bänder über dem Bauch oder im Kreuz binden. Es steht einem frei. Da bist du endlich, sagt er und greift gleich nach dem Geschenk mit Masche. Er läßt die Hand wandern, wickelt aus, fragt, ob er Licht machen darf, setzt spitze Küsse auf meiner Haut ab, die sich nicht wehren kann, denn wenn eine Frau nicht will, daß man sie küßt, so muß sie es ausführlich begründen, und wenn sie das getan hat, bekommt sie dafür einen Kuß, weil es rührend ist, wenn Frauen sich bemühen, etwas zu erklären, weil eine Frau eine Frau ist. Männer sagen einfach nein, und wenn sie nicht wollen, dann können sie auch nicht. Ich sage: Nein. Das Spiel beginnt. Warum nicht? Weil ich unglücklich bin, Rolf. Er dreht das Licht auf, schaut mich an und findet, daß unglückliche Menschen anders aussehen. Ich drehe das Licht aus. Er dreht es auf. Küßt mich auf die Nase, weil sie aufgebogen ist, und Stupsnasen schreien ja danach, angestupst und geküßt zu werden. Und was ich alles sage in dieser Nacht, rühr mich nicht an, laß mich schlafen, ich will nicht, ich würde viel lieber allein spazierengehen jetzt, ohne dich, das alles gilt nicht, weil Rolf das Licht immer wieder aufdreht und mich anschaut, und Stupsnasen können sagen, was sie wollen, sie sehen aus, wie sie aussehen, vorher und nachher, und seine Hand tastet weiter, ich verscheuche sie, er sagt, das hat er sich anders vorgestellt, das Bett kracht, jetzt darf ich nicht mehr nein sagen, schließlich ist er ein Mann und nicht aus Holz, und ich schreie: Nein! Da liegt er wieder neben mir, sein Herz klopft, ich höre es, ich fürchte, daß er weinen wird, dann werde ich naß sein von seinen Tränen. Ich habe eine große Schuld auf mich geladen, ich weiß es ja, und vielleicht hilft er mir ab morgen, daß wir diese Schuld aufteilen und allmählich freier werden und wieder atmen können, miteinander.
     
    Das Zimmer ist noch immer da, als ich die Augen aufmache, die Schwere auf meiner Brust, diese trockene Luft. Ich schleiche zum Vorhang, da ist wirklich ein Fenster, und frischer Schnee liegt draußen, es hat also geschneit. Daß so ein Tag kommt. Daß wieder der Himmel da ist. Da bewegt sich etwas im Raum. Es ist Rolf. Seine Augen sind feucht vom Gähnen. Er stützt sich auf die Ellbogen. Guten Morgen! Guten Morgen! Den Arm streckt er jetzt nach mir aus, und sein Pyjama ist blau, mit dunkelblauen Streifen, mit einem Täschchen links oben. Wozu haben Pyjamas solche Täschchen? Er lächelt. Komm! Er hört nicht auf, den Arm nach mir auszustrecken, bittend, freundlich, verschlafen, ergeben, und ich lege meine Hand in seine warme, trockene Hand. Er zieht mich zu sich, ich lasse mich ziehen. Er hebt mich ins Bett. Ich lasse mich heben. Er schiebt mein Nachthemd hinauf. Ich lasse mich ganz entblößen. Weil ich draußen bin im Schnee, bei den schwarzen Vögeln, weil ich nicht da sein werde, wenn du mich berührst.
    Totenvögel und Mondfischbrüste. Daß er Krähen oder Raben
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher