Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie kommt das Salz ins Meer

Wie kommt das Salz ins Meer

Titel: Wie kommt das Salz ins Meer
Autoren: Brigitte Schwaiger
Vom Netzwerk:
Gummistiefel geschenkt. Er wird jetzt einen Fischerkameraden haben und einen Jagdfreund. Es gibt kein Zurück mehr.
     
     
    Wer geht zuerst hinein? Sie schieben mich: du! Mit wem? Natürlich mit Vater. Die Orgel spielt schon. Organisten tragen wollene Fingerwärmer, das habe ich einmal im Kino gesehen, sie sind immer arm und frieren, weil sie Künstler sind. Karl friert nicht, aber er trinkt. Organisten werden ausgelacht, wenn sie komponieren. Anton Bruckner lebte in dem Dorf, wo das mit dem Knecht passiert ist. Er verbrauchte nachts viel Licht, Petroleum oder Strom, jedenfalls schimpfte der Hausherr, und alle sagten, daß der Lehrer Bruckner spinnt. War er verheiratet? Gib mir noch einen Kuß, bittet Mutter. Mir auch, sagt Vater. Mir soll sie auch noch einen Kuß geben, sagt Großmutter, schau, dort steht deine zukünftige Schwiegermama! Großmutter zeigt mit dem Finger, Vater holt ihre Hand zurück. Red nicht so viel! Man wird doch noch reden dürfen, sagt Großmutter, ich bin die Mutter, und wenn ich nicht wäre, wärt ihr alle nicht. Ein Fotograf verstellt uns den Weg. Komm schon, sagt Vater. Geh gerade. Stolpere nicht über das Kleid.
    Das ist deine Hochzeit, die Braut bist du, das ist kein langes weißes Nachthemd, was du anhast, das ist ein Brautkleid. Und der, der so blaß neben dir sitzt, das ist noch immer Rolf, dein Mann ab jetzt, nicht für dich, für die anderen. Du hast Ja gesagt vor dem Priester und Nein gedacht. Du hast also gelogen. Jetzt löffle die Suppe aus mit dem Silberlöffel. Kellner scharwenzeln herum. Kellner hab ich nie leiden können. Etwas Glitschiges ist an ihnen. Sie tragen zuerst mir auf, obwohl ich am weitesten von der Tür entfernt sitze, da müssen sie einen Umweg machen, linkszweidrei, bittesehr, dann kommt Rolf dran, bittesehr, dann meine Mutter, sie verliert nicht die Tochter, sie gewinnt einen Sohn, dann Rolfs Mutter. Sie hat ein langes Haar auf der Oberlippe. Wenn sie lacht, sieht man krankes Zahnfleisch, dort, wo die Goldhaken sind. Seit Rolfs Vater an Gehirnschlag gestorben ist, lacht und redet sie viel. Eigentlich ununterbrochen. Wir werden natürlich nicht bei ihr wohnen. Rolf denkt modern. Linkszweidrei, schon wieder steht ein Kellner da. Ich bekomme eine Scheibe Ananas mit einer roten Kirsche. Nur ich? Nein, ich zuerst. Die Reihenfolge ist wichtig. Wie kann man auf so was Gedanken verschwenden? Wie kann man servieren auf so einer Hochzeit? Außerdem ist es kalt. Aber keiner gibt es zu. Dieses Restaurant war früher der Speisesaal einer Ritterburg. An den Wanden hängen noch Malereien wie Schmutzflecken. Weil ich kurzsichtig bin. Eine Braut mit Brille, das geht nicht. Hier ist es teuer, und Vater hat alles bezahlt. Wie soll man da zugeben, daß schlecht geheizt ist? Rolf bemerkt mich gar nicht. Es ist sein Tag. Er weiß nur nicht welcher. Alles nach Plan gegangen. Wohnungskauf mit Anzahlung von Schwiegermutter und Vater. Das Objekt war günstig. Kapitalsanlage. Eine schöne Wohnung ist ein ausbruchsicheres Gefängnis. Albert und Hilde sitzen zwischen Onkel Mandi und Tante Grete. Hilde wollte Fernsehsprecherin werden, ihre Eltern haben es nicht erlaubt. Da hat sie Albert eingekauft mit einer Wohnung. Albert könnte sich diesen Lebensstandart nicht leisten ohne Hilde. Also quitt.
    Albert gefällt mir besser als Rolf. Er hat mir schon immer gefallen. Damit werde ich mich in Zukunft beschäftigen. Das Fleisch war vorzüglich, sagt irgend jemand. Bitte, Herr Ober, vergessen Sie nicht die Zigarren! Die Braut soll lächeln. Warum? Du wirst fotografiert, sagt Mutter. Die Braut soll herüberschauen, den Kopf ein bißchen neigen, danke! In England sagen sie dabei «Cheese!», übrigens, sagt jemand, finden Sie nicht, daß man mit dem französischen Käse viel zuviel Aufhebens macht? Wenn man bedenkt, daß wir in Österreich mindestens dreiundzwanzig Käsesorten … Aber kein Vergleich! Wer nie in Frankreich war … Frankreich war vielleicht einmal! Ich bin vorigen Sommer dort gewesen, sagt jemand, trostlos, trostlos, sage ich Ihnen. Ich möchte sagen, sagt jemand, daß seit Pompidou kein französischer Präsident … Aber ich würde doch meinen, daß unter de Gaulle … Nein! De Gaulle war nie daran interessiert, die … Wenn man die Geschichte zurückverfolgt … Es lebe die Braut. Wie jung sie aussieht, und alles noch vor sich! Nicht alles, hehe. Die Braut soll noch einmal lächeln. When you’re smiling, when you’re smiling, the whole world smiles with you. Es lebe Bob Hope!
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher