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Wie Inseln im Strom

Wie Inseln im Strom

Titel: Wie Inseln im Strom
Autoren: Kathleen O`Brien
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Liebespaar in erotischer Umarmung auf einer blau karierten Picknickdecke. Im Hintergrund, am Rand der Decke und dicht am Wasser, lag vergessen ein schlafendes Baby.
    Malcolm hatte das Bild ein Jahr nach ihrer Heirat gekauft und es so aufgehängt, wo es nicht zu übersehen war. Lacy hatte ihm nie gesagt, was sie davon hielt. Warum auch? Er hatte sie nie nach ihrer Meinung gefragt.
    “Falls du dich unsichtbar machen willst, empfehle ich dir ein anderes Kleid.” Die Farne raschelten, und plötzlich stand Adam Kendall in dem kleinen Raum direkt hinter ihr. Er berührte ihren Arm. “Etwas weniger Auffälliges. Diese blaue Seide leuchtet ja geradezu.”
    Sie drehte sich um. Seine breiten Schultern blockierten die Tür. Schlagartig erinnerte sie sich daran, dass dieser Raum deshalb so eng war, weil hier früher Stuten gedeckt worden waren. Hier konnten sie dem Hengst nicht ausweichen.
    Sie wehrte sich gegen die aufsteigende Panik. Adam hatte sie gefunden. Sie hatte immer gewusst, dass es geschehen würde. Früher hatte sie sich danach gesehnt, davon geträumt und es sich bis ins kleinste Detail ausgemalt. Jetzt wollte sie es nur so schnell wie möglich hinter sich bringen.
    “Zehn Jahre”, sagte sie halb zu sich selbst. “Zehn Jahre, seit wir uns zuletzt gesehen haben, und wir reden über Kleidung.”
    Ein Lächeln umspielte seinen Mundwinkel, während er über die Seide strich. “Ich finde das keineswegs so belanglos. Zwischen den Zeilen zu lesen ist eine aussterbende Kunst, findest du nicht auch?”
    Wie konnte sie vorgeben, ihn nicht zu verstehen? Und in gewisser Weise hatte er ja recht. Ihre Kleidung war wirklich symbolisch, oder? Seine alten Jeans mit den abgewetzten Knien und das mit Rostflecken übersäte T-Shirt hatten Armut, Hunger und Ehrgeiz verraten. Der nagelneue Smoking signalisierte Luxus, Erfolg, Zufriedenheit. Aber das schäbige T-Shirt hatte so herrlich nach Seife und Sonnenschein gerochen. Und nach ihm. Jedes Mal, wenn sie es ihm damals über die Schultern und den Kopf zog, presste sie es sich gegen das Gesicht und atmete seinen Duft tief ein, bevor sie es zur Seite warf.
    Vor zehn Jahren war sein zerzaustes, aber seidiges schwarzes Haar ein Ausdruck von Rebellion, Trotz und Eigensinn gewesen. Jetzt strahlte diese elegante, sorgfältig arrangierte Frisur Sex, Macht und Selbstbewusstsein aus. Die ungebändigten Wellen waren ihm immer in die Augen gefallen, wenn er über sie glitt und den Kopf auf ihre Brüste senkte. Und wenn er sie küsste, streichelten sie ihre Haut.
    Lacy musterte ihn, von den gestrafften Schultern bis zu den glänzenden Manschettenknöpfen, von der perfekt gebundenen Krawatte bis zur arrogant hochgezogenen Augenbraue.
    Aber was war das? Eine Narbe? Unterhalb seines rechten Auges glitzerte ein schmaler Strich, der aussah, als hätte jemand den Wangenknochen mit einem dünnen Silberstift nachgezogen. Oder mit einer Messerklinge. Sie starrte auf die Narbe, den einzigen Makel an seiner perfekten Erscheinung. Den einzigen Beweis dafür, dass die zehn Jahre ohne sie nicht nur voller Erfolg und Lachen, Wohlstand und Frauen und Luxus gewesen waren.
    “Woher hast du diese Narbe?” Sie sah ihm in die Augen. Warum stellte sie ihm nach all den Fragen, die sich in einem Jahrzehnt des Schweigens in ihr aufgestaut hatten, ausgerechnet diese?
    “Das ist vor vielen Jahren passiert. Eine Explosion. Etwa einhundert fingerlange Glassplitter wollten sich unbedingt in meinem Gesicht verewigen.” Seine Stimme klang so beiläufig, als würde er über das Wetter reden. “Einer davon hat es auch geschafft.”
    “War es ein Arbeitsunfall?” Sie widerstand der Versuchung, die Narbe zu berühren. “In der Raffinerie? Ich erinnere mich, dass es ein gefährlicher Job war …”
    Er lächelte matt. “Sie zahlen einem keine Gefahrenzulage, wenn man am Schreibtisch sitzt. Und genau deshalb habe ich den Job gemacht, oder? Wenn ich mich recht erinnere, wollte ich so schnell wie möglich reich werden, um nach Hause kommen zu können.” Er zuckte mit den Schultern. “Damals war mir das ziemlich wichtig.”
    Sie schluckte schwer, denn sie erinnerte sich nur zu gut. “Aber eine Explosion … Du hättest …”
    “Was? Getötet werden können? Eine zu unästhetische Vorstellung für Sie, Mrs. Morgan? Vielleicht findest du ja, ich hätte mein Vermögen lieber heiraten sollen.” Seine Stimme war leise, sein Blick fragend, als würde er tatsächlich darüber nachdenken. “Ja, das wäre sicher einfacher
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