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Wie Inseln im Strom

Wie Inseln im Strom

Titel: Wie Inseln im Strom
Autoren: Kathleen O`Brien
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nach unten oder oben. Vielleicht lag es daran, dass sie sich insgeheim über Kara und ihre psychische Achterbahn amüsierte.
    “Das Allerschlimmste?”, wiederholte sie lächelnd. “Das Allerschlimmste ist doch schon gestern passiert, als der Partyservice die falschen Häppchen zur Versteigerung brachte, oder etwa nicht? Und trotzdem haben wir es irgendwie überlebt.” Während sie sprach, wiegte sie das Baby sanft hin und her, bis es zufrieden an seinen Fingern nuckelte. Die Stille war einfach herrlich. “Wir haben es sogar geschafft, eine Viertelmillion Dollar für die Neugeborenenstation zu sammeln.”
    Kara runzelte die Stirn. “Lach du nur, aber wenn die alte Mrs. Terwilligan in eines dieser Meeresfrüchtehäppchen gebissen hätte, wäre ihr Hals angeschwollen wie ein Kugelfisch.” Sie strich sich das ergrauende Haar aus den Schläfen. “Außerdem ist das hier noch schlimmer. Du wirst es nicht glauben, Lacy. Der Geburtstagsclown hat gerade angerufen. Er ist krank und kann nicht kommen.”
    Das war wirklich ein großes Problem. Die ganze Kinderstation hielt praktisch den Atem an und freute sich riesig auf den Besuch des Clowns und die vielen Geschenke und Süßigkeiten aus seinem grünen Korb. Die kleinen Patienten zu enttäuschen war undenkbar.
    Deshalb durfte Lacy es auch nicht zulassen. “Wir werden einen Ersatz finden müssen”, sagte sie ruhig und ging alle Möglichkeiten durch. “Arbeitet Leo heute?” Betrübt schüttelte Kara den Kopf. “Bart?” Auch der war nicht da. “Roger?”
    “Heute arbeitet in der PR-Abteilung kein einziger Mann. Oh, was sollen wir nur tun? Die Kinder sind schon so aufgeregt. Ronny Harbaugh hat die ganze Nacht nicht geschlafen.” Kara war den Tränen nahe.
    “Keine Panik.” Lacy atmete tief durch und senkte die Stimme, um weder das plötzlich wieder zappelnde Baby noch ihre hektische Kollegin unnötig aufzuregen.
    Sie legte sich das Baby an die andere Schulter und überlegte. “Keine Männer. Dann werden wir eben eine Frau nehmen müssen.”
    “Aber wir nehmen immer einen Mann. Das Kostüm ist riesig. Die Augen liegen so hoch, dass …”
    “Dann brauchen wir eine große Frau.” Prüfend musterte Lacy ihre etwa einsachtzig große Kollegin. “Was ist mit dir?”
    Voller Entsetzen sah Kara sie an. “Oh nein! Ich habe noch nie … Wir haben noch nie … Das könnte ich nicht.” Aber sie würde gern, das spürte Lacy. “Oder doch?”
    “Natürlich kannst du es”, sagte Lacy voller Überzeugung. “Die Kinder lieben dich. Du wirst ein wundervoller Clown sein.”
    “Aber ich habe keine Zeit. Die Pressemitteilung! Ich muss sie doch noch …”
    “Ich helfe dir dabei. Alles andere kann warten.”
    “Nein, nicht alles.” Unglücklich knabberte Kara an einem Fingernagel. “Es ist so schade! Ich wollte gerade eine Führung …”
    “Die kann ich übernehmen”, unterbrach Lacy sie scharf, aber mit einem aufmunternden Lächeln. “Jetzt hör auf, dir Sorgen zu machen, und verteil die Geschenke, bevor Ronny Harbaugh einen Aufstand entfacht.”
    “Also gut.” Kara eilte davon. In der Tür drehte sie sich noch einmal um. “Wahrscheinlich ist es sowieso besser, wenn du die Führung übernimmst. Schließlich bist du die Chefin. Er ist nämlich kein gewöhnlicher Besucher, sondern jemand, der einen roten Teppich erwartet.”
    Lacy erstarrte und hielt das Baby fest, als der Boden unter ihr plötzlich zu schwanken schien.
    “Er?” Zum Glück klang ihre Stimme recht normal. “Wer ist es?”, fragte sie, obwohl sie die Antwort bereits kannte.
    “Du bist zu beneiden, Lacy. Du darfst den tollsten Mann auf Pringle Island durch unser Krankenhaus führen”, erwiderte Kara. “Adam Kendall.”
    Eins musste er ihr lassen. Die Lady war nicht feige.
    Adam zog eine Augenbraue hoch, als Lacy auf ihn zukam. Ihre Haltung war selbstbewusst, das Kinn erhoben, die Schultern gestrafft. Kara Karlin hatte ihm zwar vor einer halben Stunde versprochen, dass Lacy sich um ihn kümmern würde, aber er hätte seinen linken Manschettenknopf darauf verwettet, dass sie die Führung einem Mitarbeiter überlassen würde.
    Er hatte angenommen, dass sie ihn nur deshalb so lange warten ließ, weil sie eine Vertretung finden musste. Nicht, dass das Warten ihm etwas ausgemacht hatte. Der Empfangsraum der PR-Abteilung war modern, aber behaglich eingerichtet. Polster und Kissen waren pfirsichfarben, und an den Wänden hingen Bilder mit fröhlichen Motiven. Das Arrangement strahlte eine einladende
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