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Wie Inseln im Strom

Wie Inseln im Strom

Titel: Wie Inseln im Strom
Autoren: Kathleen O`Brien
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Wärme aus.
    Ganz im Gegensatz zu Lacy Morgan, die in der Tür stehen blieb und tief durchatmete.
    Sie trug ein schmal geschnittenes blaues Kostüm und hatte ihr Haar zu einem strengen Nackenknoten gesteckt. Ihr Auftritt glich einem kalten Windhauch, der die Temperatur im Raum schlagartig abzusenken schien. Sie ließ sich Zeit – selbst als sie ihn bemerkte. Sorgfältig strich sie einen Ärmel glatt und tastete nach dem hohen Kragen, obwohl er perfekt an ihrem schlanken Hals saß. Dann trat sie mit anmutigen Schritten an den Schreibtisch. Das Geräusch, das ihre Absätze auf dem Parkett machten, erinnerte Adam an Eiswürfel, die in ein leeres Glas fielen.
    Sie rückte einige Unterlagen zurecht, bevor sie den Blick hob und ihn ruhig und kühl ansah. “Kara hat mir erzählt, dass sie dir eine Führung versprochen hat. Es tut mir leid, dass du warten musstest.”
    Er lächelte. “Wirklich?”
    Damit hatte sie offenbar nicht gerechnet. Eine winzige Falte erschien auf ihrer makellos glatten Stirn. “Wirklich was?”
    “Tut es dir wirklich leid, dass ich warten musste?” Er schlug ein Bein über das andere. “Nach dem gestrigen Abend dachte ich, du würdest die Gelegenheit nutzen, um mich … in meine Schranken zu weisen.”
    “Deine Schranken, Adam?” Sie schüttelte den Kopf. “Ich maße mir nicht an zu wissen, wo deine Schranken sind.”
    “Nun ja”, murmelte er. “In deiner Hand vielleicht?”
    Sie lachte, und wieder erinnerte der Laut ihn an klirrende Eiswürfel. “Der letzte Ort, an den ich dich gewünscht habe, liegt ziemlich tief und ist recht warm.”
    “So?” Lächelnd ließ er den Blick an ihr hinabwandern. Natürlich wusste er, was sie meinte. Sie hatte ihn zur Hölle gewünscht.
    Es dauerte etwa zwei Sekunden, bis sie begriff, wie zweideutig sie sich ausgedrückt hatte. Ihre Augen weiteten sich, und sie packte die Unterlagen in ihrer Hand fester als nötig.
    Er sagte nichts. Das brauchte er auch nicht. Er wartete auf die kleinen kirschroten Flecken an ihren Wangen. Sie war immer schnell errötet. Wenn Mrs. Bickens sie in der Mathematikstunde an die Tafel holte. Wenn sie ihn nach der Spätschicht von der Baustelle abholte und die anderen Arbeiter anerkennende Pfiffe ausstießen. Wenn ihre Tante sie tadelte, weil sie erst kurz nach Mitternacht heimkam …
    Und wenn er sie auszog. Obwohl es dunkel und sie beide in der sommerlichen Schwüle allein waren, musste er sie ein Dutzend Mal küssen, bis sie endlich die Hände von den brennenden Wangen nahm.
    Doch zu seiner Überraschung errötete sie jetzt nicht. Ihr seltsam regloses Gesicht wurde unter dem dunklen Haar noch blasser. Sie starrte ihn einen Moment lang an, bevor sie um den Schreibtisch herumkam und sich gegen die Kante lehnte. Als sie an ihrem Rock zupfte, blitzte am Handgelenk kurz etwas Silbriges auf, und die vorwitzige weiße Spitze zog sich gehorsam unter den Saum zurück.
    Sie war Adam so nahe, dass ihre Knie sich fast berührten. Das war Absicht – er sah es an ihrem Blick. Sie wollte ihm beweisen, dass weder seine Worte noch sein Körper sie aus der Fassung brachten.
    “Vielleicht sollte ich etwas klarstellen”, begann sie mit unnatürlich ruhiger Stimme. “Es gehört zu meinem Job, potenzielle Investoren herumzuführen. Bilde dir also bitte nicht ein, dass irgendetwas, was du gestern Abend oder vor zehn Jahren getan hast, mich davon abhalten könnte, für dieses Krankenhaus Geld zu sammeln.”
    Er starrte sie an, und plötzlich wurde ihm bewusst, dass er wütend war. Wütend auf ihr Gesicht, das dem einer Marmorstatue glich, auf ihre Stimme, die sich wie die eines Computers anhörte, und auf ihre schmalen Hände, die nicht mehr zitterten.
    Was zum Teufel war aus ihr geworden? Und vor allem, warum war es ihm so wichtig?
    “Keine Angst, Lacy”, sagte er mit einem Grinsen, das schon fast unverschämt war. “Ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass dich an einem Mann nur seine Brieftasche interessiert.”
    Hatte er gehofft, sie provozieren zu können? Falls ja, so enttäuschte sie ihn schon wieder. Sie nickte nur und erwiderte sein Lächeln.
    “Vor allem, wenn sie so dick ist wie deine”, bestätigte sie und stand auf, ohne seine Antwort abzuwarten. “Fangen wir an?”
    Von da an lief alles ganz sachlich und geschäftsmäßig ab. Ohne über eine einzige Silbe oder eine einzige Türschwelle zu stolpern, führte sie ihn über blitzsaubere sterile Korridore und in aufgeräumte, gut organisierte Büros. Lacy lieferte eine der
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