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Wie Inseln im Strom

Wie Inseln im Strom

Titel: Wie Inseln im Strom
Autoren: Kathleen O`Brien
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das das geniale Talent des Künstlers damals in ihr ausgelöst hatte.
    Aber jetzt, da Kunstwerke für sie zu etwas Alltäglichem geworden waren, ging ihr der Anblick nicht mehr so unter die Haut wie damals. Ja, sie war wirklich Malcolms Geschöpf, nicht wahr? Lacy Morgan, elegant in blauer Seide, mochte viel Wissen angehäuft haben. Doch eins hatte sie darüber vergessen – wie man fühlte.
    Und es waren nicht nur Gemälde, die sie inzwischen kaltließen. Nach all den Jahren unter Malcolms Obhut brauchte sie nur einen Takt zu hören, um zu wissen, aus welcher Oper er stammte. Aber keine Arie hatte jemals so auf sie gewirkt wie jene Rock-‘n’-Roll-Ballade, nach der sie einst im Regen mit Adam Kendall getanzt hatte …
    Adam Kendall. Vielleicht musste sie heute Abend an ihn denken, weil sie sich auf den Tag genau vor zehn Jahren hier mit ihm getroffen hatte, um allein zu sein. Wenn sie wollte, könnte sie das frische Heu riechen und den Mondschein in den neugierig blinzelnden dunklen Augen der Pferde sehen – wie damals.
    Lacy hakte sich bei Tilly ein und zog sie mit sich aus der Sattelkammer. “Lass uns zurückgehen”, sagte sie. “Es wird der Neugeborenenstation nicht helfen, wenn die Leute darüber tuscheln, dass wir Babys verkehrt herum aufhängen. Außerdem kann Howard Whitehead es nicht abwarten, dir alles über Warentermingeschäfte zu erzählen.”
    Tilly rümpfte die Nase. “Der alte Knabe wird zehntausend Dollar spenden, da bin ich sicher – aber erst, nachdem er uns zu Tode gelangweilt hat.” Sie lächelte Lacy zu. “Ehrlich, mir ist schleierhaft, wie du es schaffst, so ruhig zu bleiben. Das ist übermenschlich. Verlierst du denn nie die Fassung?”
    Lacy lachte. “Bei einem Mann, der zehntausend Dollar spenden will? Nein.”
    Arm in Arm schlenderten sie zurück in die einstige Reithalle, begrüßten Freunde und Bekannte und beantworteten Fragen zu den ausgestellten Kunstwerken, als Karla Karlin, die im Verwaltungsrat des Krankenhauses saß, auf sie zugeeilt kam. “Oh, da seid ihr ja”, begann sie atemlos. “Lacy, du wirst nicht glauben, wer hier ist! Und er hat nach dir gefragt!”
    Tilly stöhnte auf. “Wenn es Howard Whitehead ist, sag ihm, dass du uns nicht gefunden hast.”
    Karas Augen glitzerten aufgeregt. “Nein, nein. Es ist jemand Neues. Na ja, ganz neu ist er nicht, aber …” Sie zerrte Lacy in die Mitte der Gästeschar. “Oh, du wirst gleich sehen. Du wirst es nicht glauben. Er ist absolut … Ich meine, er ist wirklich … Komm schon, Lacy. Beeil dich!”
    “Ich komme ja”, versicherte Lacy ihr belustigt und ein wenig neugierig. Hoffentlich war es nicht schon wieder so ein zweitklassiger Schauspieler. Mit seinen malerischen Straßen zog Pringle Island viele Fernsehteams an. Im vergangenen Jahr hatte ein Seifenopernstar für Aufsehen gesorgt, als er an einer Tankstelle Kondome kaufte. “Also wirklich, Kara, wenn du nicht willst, dass ich über meinen Rock stolpere und deinen Sensationsgast auf allen vieren begrüße, musst du langsamer gehen.”
    Kara holte tief Luft und drückte Lacys Hand. “Na gut. Aber sieh selbst!”, sagte sie und blieb stehen.
    Lacy ließ ihren Blick über die Menge wandern und hielt nach dem rätselhaften Neuankömmling Ausschau. Falls es sich mal wieder um einen Prominenten handelte, würde sie Begeisterung heucheln müssen. Schauspieler beeindruckten sie nicht besonders. Nicht mehr. Eigentlich beeindruckte sie kaum etwas.
    Die meisten Gesichter hier waren ihr vertraut. Howard Whitehead hatte sich ein neues Opfer gesucht. Der Krankenhausdirektor redete jetzt auf den Bürgermeister ein. Die jungen Frauen, die ehrenamtlich bei der Betreuung der Patienten halfen, standen zusammen und flirteten mit einem attraktiven Kellner. In einer Ecke hatten sich die Künstler, deren Werke für die Auktion gespendet worden waren, versammelt, um über ihre Arbeit zu diskutieren.
    Und dann war da die Gruppe von Frauen an der Bühne. Mit glitzerndem Brillantschmuck und verführerischem Lächeln umringten sie einen großen dunkelhaarigen …
    Oh nein. Das konnte doch nicht sein.
    Aber er war es. Selbst aus der Entfernung konnte sie erkennen, dass seine Augen blau waren. So blau wie ihr Kleid. Und urplötzlich wurde ihr bewusst, warum sie dieses Kleid so liebte, warum sie es überhaupt gekauft hatte, warum sie es so oft wie möglich trug. Nervös tastete Lacy nach dem Ausschnitt. Die Seide war kühl unter ihren zitternden Fingern. Niemand im Raum konnte wissen, warum
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