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Wie Inseln im Strom

Wie Inseln im Strom

Titel: Wie Inseln im Strom
Autoren: Kathleen O`Brien
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bedurfte es schon einiger Übertreibung. Teddy reagierte begeistert. “Na, endlich”, murmelte er atemlos und nutzte die lang ersehnte Gelegenheit.
    Eigentlich küsste er gar nicht mal so schlecht. Wenn sie nicht mit den Gedanken woanders gewesen wäre, hätte sie es vielleicht sogar genossen. Ihre Mühe wurde bald belohnt. Kaum eine Minute später drangen erstaunte Ausrufe nach oben. Immer mehr Gäste bemerkten das seltene Schauspiel auf dem Vorhang, und aus dem höflichen Partygeplauder wurde ein halb amüsiertes, halb entrüstetes Getuschel.
    Gwen schob die Finger in Teddys Haar, drehte seinen Kopf ein wenig zur Seite und schaute über seine Schulter nach unten. Die meisten Leute starrten gebannt auf die Leinwand hinter der Bühne. Manche lächelten heimlich, andere pressten reich beringte, tadellos manikürte Finger auf offene Münder.
    Nur eine Frau schien zu ahnen, was hier vor sich ging. Sie war die Einzige, die nicht zur Bühne starrte, sondern nach oben, zum Scheinwerfer schaute. Direkt zu den beiden Schattenspielern hinauf.
    Natürlich war es Lacy. Ihr anmutiges Gesicht war blass und so ausdruckslos wie immer, aber Gwen wusste, wie schockiert sie sein musste.
    Gwen schob Teddys Schulter zur Seite und grinste ihrer Stiefmutter zu. Dann zwinkerte sie spöttisch.
    Reiß dich zusammen, um Himmels willen, hatte ihr Vater immer gesagt. Ist dir noch nie aufgefallen, dass Lacy sich niemals zum Gespött der Leute macht?
    Ja, dachte sie boshaft, bis jetzt.

2. KAPITEL
    Z wei Stunden später war Lacy mit den Nerven am Ende. Die Versteigerung lief hervorragend, und die Band spielte noch immer Songs, in denen das Wort ‘Baby’ vorkam. Vor einem Monat bei der Planung dieser Veranstaltung hatte sie das noch für eine lustige Idee gehalten.
    “Baby, I’m Yours.” “Be My Baby.” “Baby, Come Back.” “Walking My Baby Back Home.” Wie war sie nur auf diesen idiotischen Einfall gekommen? Und dann noch all diese gemalten Babys – schlafende Babys, Babys beim Stillen, weinende Babys, Babys in den Armen liebevoller Mütter. Plötzlich fand Lacy die ganze Sache ermüdend.
    Vielleicht lag es an Gwens provozierendem Auftritt. Lacy konnte nur vermuten, wie groß Gwens Hass sein musste, um sie derart zu brüskieren. Einen Moment lang war Lacy wie gelähmt gewesen. Wie reagierte man auf eine derartige Unverschämtheit? Aber dann hatte sie kurz geschmunzelt und laut verkündet, dass ihre Stieftochter sich offensichtlich einer Theatergruppe angeschlossen hatte. Danach hatte sie leise applaudiert. Auch andere Gäste hatten geschmunzelt und sich dem Applaus angeschlossen, den die beiden jungen Leute mit verlegenen Gesichtern entgegennahmen.
    Die Katastrophe war abgewendet.
    Trotzdem, es hatte sie viel Kraft gekostet. Gwen war ihr für den Rest des Abends aus dem Weg gegangen, aber sie wusste, dass die Konfrontation unausweichlich war. Gwen kehrte nur auf die Insel zurück, wenn sie etwas wollte. Lacy konnte es ihr nicht verdenken.
    Aber für einen Abend war das einfach zu viel: Adams Auftauchen und Gwens ewige Verbitterung. Lacy hatte Kopfschmerzen und wünschte, sie könnte nach Hause gehen, unter die Bettdecke kriechen und eine Woche lang schlafen.
    Doch als Vorsitzende des für die Spendensammlung zuständigen Komitees musste sie bleiben, bis der letzte Zuschlag erteilt, das letzte Champagnerglas geleert und der letzte Spender aus der Tür war.
    Aber Lacy brauchte jetzt unbedingt ein paar Minuten für sich allein. Verstohlen schaute sie sich um, ob sie jemand beobachtete. Doch die Gäste verfolgten die Auktion mit großem Interesse – niemand würde bemerken, wenn sie kurz verschwand. Mit angehaltenem Atem huschte sie in eine kleine Kammer am Ende des Gangs, deren Tür halb hinter einer Reihe von Farnen verborgen lag. Für einen richtigen Ausstellungsraum war sie zu schmal, deshalb hingen hier nur zwei Bilder. Die meisten Gäste wussten vermutlich gar nicht, dass es sie gab.
    Lacy tat so, als würde sie das größere der beiden Gemälde betrachten. Es hatte ihrem verstorbenen Mann gehört. Sie war nicht sicher gewesen, ob sie es für die Auktion stiften sollte. Ein Bild wegzugeben, das man hässlich fand, war nicht besonders wohltätig. Sie fragte sich, ob jemand es ersteigern würde. Es stammte von einem recht angesehenen Künstler aus den Südstaaten, aber sie hasste es.
    Samstagmorgen: Nach dem Paradies
hatte der Maler es genannt. Es zeigte einen sonnigen Sommertag an einem Flussufer. Im Vordergrund lag ein
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