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Wie ein Ruf in der Stille: Roman (German Edition)

Wie ein Ruf in der Stille: Roman (German Edition)

Titel: Wie ein Ruf in der Stille: Roman (German Edition)
Autoren: Sandra Brown
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etliche Gäste die Köpfe nach ihnen reckten. Und prompt Minderwertigkeitskomplexe empfunden wegen ihrer zerknitterten Garderobe, die sie schon den ganzen Tag über in der Schule getragen hatte. Aber mit seiner Einladung hatte er sie so spontan erwischt, dass sie gar nicht mehr auf die Idee gekommen war, sich vorher noch zu Hause umzuziehen.
    »Tut mir leid, dass ich nicht besser gekleidet bin. Ich wusste ja nicht, dass ich heute noch ausgehe.«
    »Sie sehen toll aus«, erwiderte er lapidar und vertiefte sich in die Speisekarte.
    Verbindlichen Dank für das reizende Kompliment, fauchte Lauri insgeheim. Sekunden später prustete er leise los. Er beobachtete sie, stellte sie entsetzt fest, als sie von ihrer Menükarte aufblickte. In seinen grünen Augen blitzte der Schalk.
    »Was ist denn so lustig?«
    »Sie. Wenn ich Ihnen sage, dass Sie hübsch aussehen, werden Sie ärgerlich. Wenn ich es Ihnen nicht sage, auch. Sie müssen besser aufpassen, dass Ihr Mienenspiel Sie nicht verrät, Mrs. Parrish.« Er senkte die Stimme und beugte sich vertraulich über den Tisch hinweg zu ihr. »Sie haben nämlich ein sehr ausdrucksvolles Gesicht.«
    Sie fasste das als Kompliment auf und prostete ihm mit dem Perrier zu, das eben serviert wurde. Während sie an ihren Drinks nippten – er hatte sich einen Martini bestellt –, plauderten sie über das Ambiente des Restaurants. Dunkelgrün gehaltene Wände, tiefrote Samtsessel und viel Messing verströmten luxuriöse Eleganz.
    Sie bestellten Hühnchen Kiew mit Reis. Eine kurze Weile
später servierte der Ober ihnen einen Vorspeisenteller mit Räucherlachs, Kaviar, Wachteleiern und diversen Dips. Hungrig langte Drake zu.
    »Moment noch«, meinte Lauri. »Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.« Zu seiner Verblüffung zeigte sie ihm zunächst in Taubstummensprache, was er auf seinem Teller hatte und was auf dem Tisch stand. Dann durfte er endlich essen. Einmal lachte sie kurz auf. »Das Zeichen für Kaviar kenne ich nicht. Falls es überhaupt eins gibt.«
    Während des Essens plauderten sie zwanglos über alles Mögliche. Beim Kaffee brachte Drake das Thema auf seine Tochter.
    »Sie nehmen den Job als Jennifers Privatlehrerin doch an, oder?«
    Unschlüssig senkte sie den Blick. Zeichnete mit dem Stiel ihres Kaffeelöffels ein Muster auf das weiße Leinentischtuch. »Ich bin mir noch nicht sicher, Drake.«
    »Was kann ich tun, damit Sie zusagen?« In seiner Stimme schwang ein scherzhafter Unterton, trotz seiner angespannten Miene.
    »Versprechen Sie mir, dass Sie einen Kurs in Gebärdensprache belegen und anfangen, sie ständig anzuwenden. Denken Sie in Symbolen, so wie Sie das auch mit Ihrer Muttersprache praktizieren. Wenn ich den Job annehme, bin ich vorübergehend eine Art Ersatzmutter für Jennifer. Sie wird mir in allem vertrauen. Irgendwann müssen Sie diese Verantwortung übernehmen. Sind Sie dazu bereit?«
    »Ich werde es versuchen. Versprochen«, gab er feierlich zurück. Er lehnte sich über den Tisch, eine steile Falte bildete sich zwischen seinen Brauen. »Lauri, welche Erwartungen
darf ich in Jennifer setzen? Wie wird sie sich als Erwachsene mit ihrem Leben zurechtfinden?« Unvermittelt war sie mit dem mitfühlenden, besorgten Vater konfrontiert.
    Beklommenheit spiegelte sich in seinen Augen, der Wunsch zu wissen, was selbst größte Experten nur vermuten konnten. Noch jedes Mal hatten ihr die Eltern eines taubstummen Kindes diese Frage gestellt.
    Lauri achtete sorgfältig auf ihre Wortwahl. »Sie ist enorm aufgeweckt, Drake. Sie weiß mehr, als sie nach außen hin zu verstehen gibt. Ich denke, ihre Defizite sind emotional und nicht mental bedingt. Ich werde sämtliche mir bekannte Lernmethoden einsetzen. Sie wird die Zeichen für eine einfache Kommunikation erlernen, gleichzeitig aber auch wie jedes Kind das Alphabet. Darüber hinaus den Lautwert jedes einzelnen Buchstabens. Ihre Hörhilfe wird sie unterstützen, zwischen Klängen und Sprachmustern zu unterscheiden. Irgendwann wird sie in der Lage sein zu sprechen.« Als sie den aufflackernden Hoffnungsschimmer in seinem Blick gewahrte, schränkte sie ihre letzte Äußerung ein. »Ich möchte, dass Sie sich eines vergegenwärtigen, Drake. Ihre Hörbehinderung lässt sich nicht heilen. Sie wird akustisch nie so wahrnehmen wie wir. Ihr Hörgerät ist kein Korrektiv, sondern eine Art Lautverstärker.«
    »Das hat man mir schon erklärt, aber ich verstehe es trotzdem nicht«, räumte er entwaffnend offen ein.
    »Okay.« Lauri
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