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Wie ein dunkler Fluch

Wie ein dunkler Fluch

Titel: Wie ein dunkler Fluch
Autoren: D Webb
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verblüfft über seine Antwort, trotzdem wollte sie nicht aufgeben. Herausfordernd hob sie das Kinn und wagte sich zwei Schritte weiter ins Zimmer. Die Bewegung lockte seinen Blick einen Moment lang auf die wohlgeformten Waden, die der knielange Kostümrock freigab. Klasse Beine. Joggte wahrscheinlich jeden Morgen um fünf bei Sonnenaufgang. Am besten, sie drehte sich mit ihrem süßen kleinen Hintern um und lief dahin zurück, woher sie gekommen war. Er war nicht in der Stimmung, bei dem Spielchen des FBI mitzumachen.
    »Ich kenne Ihre Vorgeschichte. Es gibt keinen Agenten, der nicht von dem legendären Ryan McBride gehört hätte. Deshalb bin ich zu Ihnen gekommen.«
    Ach ja, die Legende . Noch eine Erinnerung, die er im Alkohol ertränkt hatte.
    »Ich bin nur ungern derjenige, der Ihnen mitteilen muss, dass diese Legende vor drei Jahren gestorben ist, Agent Grace.« Er griff nach einem Becher und sah zu ihr hinüber – wollte sie auch einen? Sie schüttelte den Kopf, also füllte er seinen Becher und nahm ein paar Schluck. Wenn er genug Koffein intus hatte, würde er vielleicht an den Punkt kommen, dass es ihn interessierte, ob er den Tag überstand.
    »Wir brauchen Ihre Hilfe.« Verzweiflung blitzte in ihren dunklen Augen auf. »Sie waren der Beste, den das Bureau je hatte. Wir brauchen Sie, um das kleine Mädchen zu finden.«
    Also das war nun wirklich ein selten dummer und unorigineller Satz. Er weigerte sich, an das Mädchen zu denken. Die ganze Geschichte war nicht sein Problem.
Trotzdem spürte er, wie seine Anspannung zunahm, diese Gefühlen sich anstauten, die ihn zu ersticken drohten. Er stellte seinen Becher auf den Küchentresen. Er konnte diesen Scheiß nicht brauchen.
    »Vielleicht ist Ihnen ja das letzte Kapitel meiner Geschichte entgangen, Agent Grace«, gab er zurück; in seiner Stimme schwang eine erfolglos überspielte Verbitterung mit. »Ich wurde rausgeschmissen. Eine unschöne Angelegenheit. Es führt kein Weg zurück.«
    »Ich habe die Akte zu Ihrem letzten Fall gelesen. Ich bin mir sicher, dass Sie die einzig richtige Entscheidung getroffen haben, die möglich war, basierend auf den Ihnen zugänglichen Fakten. Manchmal ist eine Niederlage unausweichlich, und dann stirbt jemand.«
    Darüber musste er lachen. »Tiefer Gedanke. Aber glauben Sie denn, das spielt eine Rolle? Tot ist tot.«
    »Vielleicht spielt es für Sie keine Rolle, aber für die, die Sie bewundern, schon.«
    »Erzählen Sie das dem Vater der Kleinen.« Er kehrte ihr den Rücken zu, lehnte sich gegen den Küchentresen und schloss die Augen – ein vergeblicher Versuch, die inneren Bilder auszulöschen.
    »Uns bleibt nicht viel Zeit, McBride.« Offensichtlich gestärkt durch eine Anwandlung von Mut, trat sie direkt neben ihn. Sosehr er versuchte, keine Reaktion zu zeigen, er straffte sich trotzdem. »Uns bleiben weniger als dreiundzwanzig Stunden. Wenn wir Alyssa Byrne bis dahin nicht gefunden haben, wird sie sterben.«
    Alyssa . Der Name kam ihm bekannt vor. Er verbannte den Gedanken. Konnte ihr nicht helfen. Er hatte dem Bureau zehn Jahre lang alles gegeben, was er konnte. Er hatte eine makellose Erfolgsbilanz vorzuweisen. Hatte
nie versagt. Bis auf das eine Mal. Und es war nicht seine Schuld gewesen. Als die Kacke am Dampfen war, hatte das Bureau ihn im Stich gelassen. Sie hatten einen Sündenbock gesucht. Zehn Jahre harter Arbeit hatten genauso wenig bedeutet wie sein sogenannter Status als »Legende«. Fast ein Jahr lang hatte er sogar damit gerechnet, dass jemand vom Bureau bei ihm auftauchen und ihn zur Rückkehr auffordern würde.
    Aber niemand war gekommen. Hatte nicht einmal angerufen.
    Und so hatte er andere Wege gefunden, sich die Zeit zu vertreiben und die Leere zu füllen, die jener Teil seines entrissenen Lebens zurückgelassen hatte. Offiziell machte er den Alkohol für seine momentan ungeregelte Beschäftigung verantwortlich, aber das war nur eine Ausrede. Die unangenehme Wahrheit lautete: Jedes Mal, wenn er auf eine Vermisstenmeldung gestoßen war, hatte er zu dem einzigen Mittel gegriffen, um zu vergessen, dass er nicht mehr dazugehörte: Er hatte sich abgelenkt. Mit genügend Zerstreuung ließ sich vergessen, dass es auf ihn nicht mehr ankam.
    Jener Teil seines Lebens lag hinter ihm. Es gab keinen Weg zurück – nicht für Agent Vivian Grace und ihre Heldenverehrung, nicht für Alyssa Byrne und die Menschen, die sie liebten.
    In Wirklichkeit war er nicht mehr dieser Mann, selbst wenn er zurückgegangen
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