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Wie ein dunkler Fluch

Wie ein dunkler Fluch

Titel: Wie ein dunkler Fluch
Autoren: D Webb
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wäre. Der Druck in einem solchen Ermittlungsfall war ungeheuer. Wenn er seine Konzentration verlor, Mist baute, dann starb jemand. Wenn er nicht schnell genug, nicht clever genug war, dann starb jemand. Er besaß nicht mehr den nötigen Mumm, den Biss, der zur Aufklärung eines Falles erforderlich
war. Der Held, der er früher einmal gewesen war, existierte längst nicht mehr. Etwas anderes vorzutäuschen wäre ein Fehler gewesen. Ein Fehler, wie er ihn nicht zweimal im Leben machen wollte.
    Heute war er nur noch ein ganz normaler Feigling.
    Aber bevor er die Agentin fortschickte, wollte er noch eines wissen. »Warum jetzt?« Er schaffte es einfach nicht, den Groll aus seinem Tonfall rauszuhalten; versuchte es auch nicht wirklich. »In drei Jahren hat das Bureau kein einziges Mal anerkannt, dass es mich noch gibt. Warum ist es bei diesem Fall anders?«
    »Der Kidnapper«, erklärte sie ernst, »hat ausdrücklich nach Ihnen verlangt. Er behauptet, er werde Hinweise liefern, die die Suche nach dem Mädchen erleichtern.«
    Seine verdammten Kopfschmerzen kamen zurück, pochten gegen seine Schläfen. »Was für Hinweise?«
    »Keine Ahnung. Wenn Sie nicht mitmachen, gibt’s keine Hinweise. Und wenn wir keine Hinweise bekommen, McBride, stirbt das kleine Mädchen.«

2
    Noch 22 Stunden, 55 Minuten …
     
    Sie hatte einen Versuch. Sie durfte es nicht vermasseln.
    Vivian Grace hielt McBrides Blick aus eisblauen Augen stand, ohne zurückzuweichen. Wenn er nein sagte, wäre sie gescheitert. Sie durfte auf keinen Fall ohne ihn nach Birmingham zurückkehren. Zu viel hing von seiner
Mitarbeit ab. Zunächst einmal das Leben eines Kindes. Den Mistkerl zu fassen kam gleich an zweiter Stelle.
    »Wie hat der Täter mit Ihnen kommuniziert?«, fragte McBride widerstrebend.
    Ein Gefühl der Erleichterung überkam sie. Zumindest hatte sie endlich seine Aufmerksamkeit gewonnen. Das war ein Schritt in die richtige Richtung.
    »Gestern Abend um sechs ist eine E-Mail reingekommen. Zu dem Zeitpunkt galt Alyssa seit zehn Stunden als vermisst. Da sie gestern Morgen nicht in ihrem Klassenzimmer erschienen war, müssen wir davon ausgehen, dass er sie irgendwo in der Schule aufgegriffen hat, unmittelbar nachdem ihre Mutter sie dort abgesetzt hatte. Die E-Mail enthielt die Nachricht, dass sie in seinem Gewahrsam und unversehrt ist. Er hat uns den Zeitrahmen und eine Anweisung mitgeteilt: dass er einzig und allein mit Ihnen verhandelt.«
    Einige Details durfte sie McBride nicht mitteilen. Ihr Vorgesetzter, der Leitende Special Agent (LSA) Randall Worth, hatte sie instruiert, McBride nur die allernötigsten Informationen zu liefern, damit er an Bord kam. Nicht, dass sie über viele Informationen verfügten. Sie besaßen eigentlich kaum welche. Ungeachtet dieser unbefriedigenden Situation – solange McBride als ein potenziell Tatverdächtiger nicht völlig ausgeschlossen werden konnte, musste sie ihn als solchen betrachten.
    Aber Worth irrte sich. McBride hatte mit der Sache nichts zu tun. Wenn sie irgendwelche Zweifel gehabt hatte – dass sie ihn im Bett mit einer Freundin gefunden hatte, zu dieser Stunde und unübersehbar mit einem Kater, hatte die meisten ihrer Vorbehalte beseitigt. Der schmerzliche Ausdruck und die Verwunderung in seinem
Blick, als er von dem kleinen Mädchen erfuhr, und ihre Erwähnung der Hinweise hatten ein Übriges getan.
    Und schließlich noch McBrides Äußeres. Strenggenommen sah er unheimlich schlecht aus. Gar nicht mehr wie der Mann, wie ihn die Legenden über den »Jäger« schilderten, als den letzten der wahren Bluthunde, von denen man auf der Akademie gemunkelt hatte. Dass der Täter das Kidnapping inszeniert haben könnte, um auf sich aufmerksam zu machen oder sich am Bureau zu rächen, war Unsinn. Der Mann, den sie vor sich sah, war eine Katastrophe, die bereits eingetreten war. Er plante gar nichts – außer seiner nächsten Zigarette, seinem nächsten Drink, seinem nächsten Sprung in die Kiste.
    »Hat er Beweise geliefert, dass das Mädchen noch am Leben ist?«
    McBrides Frage riss sie aus ihren Gedanken. Dass sie ihre Aufmerksamkeit auf diese Weise hatte schweifen lassen, war ein strategischer Fehler, den sie sich in seinem Beisein nicht noch einmal erlauben durfte. So weit es auch mit ihm bergab gegangen war, er konnte, trotz seines Katers und der Scheiß-egal-Haltung, immer noch verdammt gut kombinieren.
    »Ja«, erklärte sie. »Die E-Mail enthält auch ein Foto.«
    Als hätten sie alle Zeit der Welt,
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