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Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Titel: Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell
Autoren: F. Paul Wilson
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ich zurück bin.« Lutz stellte das Licht höher, kroch in das rechteckige Loch und schob die Lampe vor sich her. Vor ihm reichte ein schmaler, leicht nach unten geneigter Schacht durch die granitene Tiefe der Feste, doch schon nach anderthalb Metern endete er an einem zweiten Steinblock. Er schien ebenso beschaffen zu sein wie der, den sie gerade aus der Mauer gezogen hatten, und er wies ebenfalls ein Kreuz aus Gold und Silber auf.
    »Gib mir das Bajonett«, forderte er und streckte Grünstatt den Arm entgegen.
    Der andere Soldat drückte ihm das Messer in die Hand. »Was ist los?«
    »Straßensperre.«
    Einige Sekunden lang fühlte sich Lutz um seine Hoffnungen betrogen. Der Platz im Tunnel reichte gerade für einen Mann, und allein konnte er den Stein nicht lösen. Sie mußten die ganze Wand durchbrechen, und eine solche Aufgabe überstieg ihre Kräfte. Sie benötigten Werkzeuge und die Hilfe weiterer Männer. Unschlüssig blieb er im engen Schacht liegen und entschied nach kurzem Nachdenken, zumindest seine Neugier zu befriedigen. Wenn der vertikale Balken des Kreuzes vor ihm wirklich aus Gold bestand, wußte er wenigstens, daß er auf der richtigen Spur war.
    Er schnaufte leise, als er sich umdrehte und noch etwas weiter nach vorn kroch. Er hob die Hand und beobachtete im Lampenschein, wie sich die Messerklinge ins gelbe Metall bohrte. Und er sah noch etwas: Der Stein schwang wie an einer Angel zurück. Lutz schnappte unwillkürlich nach Luft, griff mit der freien Hand nach dem Quader und stellte fest, daß es sich nur um eine Art Deckplatte handelte – kaum einen Zoll dick. Sie ließ sich mühelos zur Seite bewegen, gab einen Schwall kalter, stinkender Luft frei. Aus irgendeinem Grund lief es dem Gefreiten plötzlich kalt über den Rücken.
    Ich weiß, daß es hier unten kalt ist. Aber nicht so kalt!
    Er unterdrückte das in ihm emporkeimende Unbehagen, kroch weiter und schob die Lampe durch den zweiten Tunnel. Als sie die neue Öffnung passierte, wurde die Flamme rasch kleiner. Sie flackerte nicht – es konnte also kaum an dem eisigen Luftstrom liegen, der aus der Schwärze wehte. Sie schrumpfte einfach. Lutz dachte kurz an giftiges Gas, aber er spürte überhaupt nichts: kein Brennen in den Augen, keine Übelkeit.
    Vielleicht ging der Kerosinvorrat zur Neige. Als er die Lampe zurückzog, um sie zu überprüfen, wuchs die Flamme wieder auf ihre ursprüngliche Größe. Lutz schüttelte den Metallbehälter und vernahm ein leises, rauschendes Gurgeln. An Kerosin mangelte es also nicht. Verwirrt hielt er die Lampe durch die Öffnung, und daraufhin trübte sich erneut das Licht. Je weiter er sie von sich hielt, desto kleiner wurde die Flamme.
    Irgend etwas ging nicht mit rechten Dingen zu.
    »Otto!« rief der Gefreite über die Schulter. »Schling den Gürtel um meine Knöchel und halt ihn fest. Ich unternehme eine kleine Erkundungstour.«
    »Warum machen wir nicht morgen weiter … wenn’s hell ist?«
    »Spinnst du? Morgen weiß die ganze Truppe Bescheid! Dann verlangen die anderen Männer sicher ihren Anteil – und der Major schnappt sich das dickste Stück vom Kuchen. Willst du leer ausgehen, obwohl wir die ganze Arbeit getan haben?«
    Grünstatts Stimme schwankte. »Die Sache gefällt mir nicht mehr.«
    »Was ist denn los mit dir, Otto?«
    »Keine Ahnung. Ich möchte nur weg von hier.«
    »Mach dir jetzt nicht die Hosen voll!« erwiderte Lutz scharf. Ottos Angst hatte ihm gerade noch gefehlt: Sie nähr te das Unbehagen, das sich in ihm ausbreitete. »Bind mir den Gürtel um die Füße und halt ihn fest! Ich möchte nicht den Halt verlieren, wenn der Schacht steiler wird.«
    »Na schön«, antwortete Grünstatt widerstrebend. »Aber beeil dich.«
    Lutz wartete, bis Otto den Gürtel festgezogen hatte, und kroch dann in die dunkle Kammer vor ihm, die Lampe weit von sich gestreckt. Eine seltsame Hast erfaßte ihn, und er bewegte sich so schnell, wie es der enge Tunnel erlaubte. Als er die zweite Öffnung mit Kopf und Schultern passiert hatte, reduzierte sich die Flamme auf ein schwaches, blauweißes Glühen, so als drücke sie sich vor der Dunkelheit und versuche, in den Docht zu fliehen.
    Nach einigen weiteren Zentimetern verblaßte das Licht ganz.
    Und gleichzeitig spürte Lutz, daß er nicht allein war.
    Irgend etwas Waches und Hungriges lauerte hier, so dunkel und kalt wie die Kammer, in der er sich nun befand. Lutz begann heftig zu zittern; Grauen zerfaserte seine Gedanken. Er versuchte zurückzuweichen
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