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Alter Sack, was nun

Titel: Alter Sack, was nun
Autoren: Kester Schlenz
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Fünfzig? Oh, Mann!
    DIE MAGISCHE GRENZE
    Hey, Alter. Cool bleiben. Fünfzig werden? Ist doch keine große Sache, Mann. Heutzutage. In den Zeiten der fröhlichen, fitten Alten. Da hat ein gesunder Kerl - statistisch gesehen - noch 25 gute Jahre vor sich. Also im Grunde ist das ja nur ein weiteres Lebensjahr. So wie wir nach 48 eben 49 Jahre alt werden. Ist doch eigentlich nichts anderes, fünfzig zu werden.
    IST ES DOCH!
     
    Etwas ganz, ganz anderes, ist das.
    FÜNFZIG WERDEN IST SCHEISSE!
    Fünfzig werden ist das Überschreiten einer magischen Grenze. Der endgültige Abschied von Jugend, Post-Jugend, Midlife, Frische und Fitness. Man fällt sogar aus der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen. Niemand will einem mehr was verkaufen. Man ist draußen. Von nun an geht’s bergab. In Riesenschritten ins Rentenalter! Wampe kriegen. Falten. Die letzten Haare verlieren. Sex abgewöhnen. Rollstuhl. Breinahrung. Altersheim. Siechtum. Ich geb mir die Kugel!

    Okay, eine Terz übertrieben.
    ABER ES IST JA WAS WAHRES DRAN. WIR MÄNNER HABEN PROBLEME DAMIT, FÜNFZIG ZU WERDEN. DAS IST ZWAR NOCH NICHT ALT, ABER ES HÖRT SICH SCHON MAL ALT AN.
    Und selbst, wenn wir das selber niedrig hängen und mehr oder weniger ignorieren wollen - dann lassen uns die anderen nicht. »Hey«, heißt es, »du nullst ja bald. Gibt doch ‘ne ordentliche Feier, was?« Wenn wir verneinen, heißt es sofort: »Also, nee … da muss man was machen. Mann, Alter … fünfzig !«
    ES GIBT KEIN ENTKOMMEN!

    Und selbst wenn wir unmissverständlich klarmachen, dass wir nicht feiern wollen und uns diesem ganzen »Runder-Geburtstags-Terror« nicht beugen wollen. Selbst dann kriegen wir irgendwann mit, dass da Leute verschwörerisch tuscheln, sich heimlich treffen, Fotoalben plündern, irgendwas vorbereiten . Eine Zeitung, Lieder, Sketche, eine Überraschungsparty. Was auch immer.

    ES GIBT KEIN ENTKOMMEN!
    Nein, es gibt da offenbar vielmehr ein ungeschriebenes Gesetz. Und das lautet:
    NIEMAND, DER FÜNFZIG WIRD, KANN SO TUN, ALS WÄRE NICHTS.
    Man wird angequatscht, gefragt, wie man sich fühlt, ob man Bilanz gezogen hätte. Man wird gezwungen zu feiern, Gästelisten zu machen etc. - und muss deshalb dauernd daran denken, dass man »nullt«.
    Und also denkt man dann darüber nach:
    Zum Beispiel an früher.

    Als wir Jugendliche waren und unsere Eltern fünfzig wurden, da kamen die uns doch vor wie Wesen aus einer anderen Welt. Der Welt der grauen Anzüge, öden Reden, Festschmäuse und Ehrennadeln in Silber. Fünfzigjährige waren gesetzte, ältere Herren mit Platte und Kegelclub. Und nun, nun sollen wir selber dazugehören?
    ABER NEIN!
    Eines können wir zu unserer Beruhigung schon mal feststellen. Vor dreißig, vierzig Jahren fünfzig zu werden war etwas ganz anderes als heute. Heute ist man mit fünfzig praktisch ja erst knapp raus aus der Postadoleszenz. Man ist jung geblieben. Im Kopf zumindest. Denkt
man. Ist natürlich ein bisschen gelogen. Aber andererseits: Da ist ja auch was dran. Auch die Siebzigjährigen sind heute cooler und jünger als unsere Großeltern damals. Scheiß auf die werberelevante Zielgruppe.
    WIR FÜNFZIGJÄHRIGEN SIND NOCH DA. LECKER WIE REIFE FRÜCHTE. UND MACHT NICHT AUCH ERFAHRUNG SEXY?
    Kommt darauf an.
    Denn wie so oft im Leben gibt es häufig eine Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung. Das eine ist, wie wir uns fühlen, was wir von uns erwarten, womit wir klarkommen müssen. Das andere ist, wie die anderen uns sehen. In diesem Spannungsfeld gibt es einige Dinge zu klären. Das wollen wir nun in den folgenden Kapiteln zusammen tun.

Ich bin quasi ein Modo!
    FALTEN, HAMSTERBACKEN, DOPPELKINN, RETTUNGSRINGE - HILFE, ICH ALTERE
    DER VERFALL IST NICHT ZU ÄNDERN.
    Unter unseren Augen bilden sich gigantische Tränensäcke. Morgens müssen wir diese mit einer Schubkarre ins Bad fahren. Erst gegen Mittag bilden sie sich zurück. Falten, tief wie Schluchten auf La Palma, haben sich in unser Antlitz gegraben und lassen uns aussehen wie eine traurige, verkarstete Landschaft im Ural. Das, was einst Wangen waren, sind nun Hamsterbacken. Sie wabbeln, wenn wir den Kopf schütteln. Und unser Kinn, früher unteres Schlusslicht eines ausdrucksstarken Gesichtes, hat sich verlängert und bildet nun einen weichen, konturlosen, wabbligen Übergang zwischen Gesicht und ledrigem Hals. Unsere Haut neigt zum Grobporigen. Sie wird schlaff.
    DAFÜR SCHWILLT DER BAUCH. »DER DEUTSCHE RING« ZIERT DIE TAILLE.

    Die Hoden … okay -
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