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Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Titel: Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell
Autoren: F. Paul Wilson
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heißen Sie?«
    »Lutz, Herr Major.«
    »Nun, Gefreiter Lutz, Sie können diesen Tag in Ihrem Kalender rot anstreichen. Sie haben nicht nur in Erfahrung gebracht, daß die Kreuze aus Messing und Nickel anstatt aus Gold und Silber bestehen, sondern sich auch einen Posten in der ersten Wache gesichert. Für die nächsten sieben Tage. Melden Sie sich bei Feldwebel Oster, wenn Sie mit den Kabeln fertig sind.«
    Als Lutz sein Bajonett einsteckte und davoneilte, drehte sich Wörmann zu Alexandru um. Der alte Rumäne bebte am ganzen Leib, und sein Gesicht war kalkweiß.
    »Die Kreuze dürfen nicht angerührt werden«, hauchte er. »Auf keinen Fall.«
    »Warum denn nicht?«
    »Weil es immer so gewesen ist. Nichts in der Feste darf verändert werden. Deshalb arbeiten wir hier jeden Tag. Damit alles so bleibt, wie es ist.«
    »Guten Tag, Alexandru«, sagte Wörmann scharf, um zu signalisieren, daß er das Gespräch als beendet betrachtete. Er verstand das Dilemma des Rumänen, aber seine Mission hatte Vorrang.
    Als er sich umdrehte, vernahm er noch einmal Alexandrus jammernde Stimme.
    »Bitte, Herr Major! Sorgen Sie dafür, daß Ihre Leute die Kreuze nicht anrühren! Sie dürfen nicht beschädigt oder gar entfernt werden!«
    Wörmann beschloß, eine entsprechende Anweisung zu erteilen. Doch es ging ihm nicht darum, Alexandrus Bitte zu erfüllen oder ihm einen Gefallen zu erweisen. Als er sich an den Gefreiten Lutz erinnerte, an das Bajonett, das am Kreuz kratzte, empfand er erneut ein schwer bestimmbares Unbehagen, plötzliche Kühle, die ihm über den Nacken zwischen die Schulterblätter kroch und ihn mit namenloser Furcht erfüllte. Er versuchte vergeblich, sich von diesem sonderbaren Gefühl zu befreien.
     
    Mittwoch, 23. April • 03.20 Uhr
     
    Es war schon recht spät, als sich Wörmann auf dem Boden seines Quartiers ausstreckte und die Decke bis zum Kinn hochzog. Er hatte den dritten Stock des Wachturms für sich gewählt. Der Aufstieg dauerte nicht allzulange, und durch die Fenster konnte man über die Außenmauer hinwegsehen und sowohl den Paß als auch das Dorf beobachten. Das erste Zimmer sollte ihm als Büro dienen, das zweite als Privatraum.
    Die Fensterläden standen weit offen. Bevor er sich schlafen legte, hatte Wörmann das Licht ausgeschaltet und in die Nacht gesehen. Diffuser grauer Dunst zog durch die Schlucht und verhüllte die Konturen der Felswände. Nach dem Sonnenuntergang glitt kalte Luft an den Berghängen herab, traf weiter unten auf die noch verbliebene Wärme des Tages. Dadurch kondensierte die Feuchtigkeit, und das Ergebnis war dichter Nebel. Myriaden Sterne standen am Himmel, aber die grauen Schwaden schienen ihr Schimmern zu schlucken. Eine zeitlose Szene, die den Krieg und alle Sorgen in weite Ferne rückte. Der Major fühlte sich so, als wäre er von der harten Realität getrennt, er genoß den Anblick, bis ihm vor Müdigkeit die Augen zufielen.
    Doch als er unter der Decke lag, fand er nicht die erhoffte Ruhe. Dutzende von verschiedenen Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Eine kalte Nacht, aber nicht kalt genug, um Kaminfeuer zu entzünden … es gibt ohnehin kein Holz. Bald beginnt der Sommer, und dann gibt es keine Temperaturprobleme mehr … Wasser? Die Zisternen im Keller sind bis zum Rand gefüllt, sie werden offenbar von einer unterirdischen Quelle gespeist … Sanitäre Anlagen, ja, darum muß ich mich morgen kümmern … Wie lange werden wir hier stationiert sein? Soll ich meine Leute morgen länger schlafen lassen? Sie haben einen langen Tag hinter sich … Vielleicht können Alexandru und seine Söhne Feldbetten zimmern; dann brauchen wir nicht mehr auf dem kalten Steinboden zu liegen … Im Herbst und Winter wäre das ziemlich unangenehm … Vorausgesetzt, der Krieg dauert überhaupt noch so lange …
    Der Krieg … Er schien in einer völlig anderen Welt stattzufinden. Wörmann dachte an seine mehr als zwanzigjährige Laufbahn in der deutschen Armee zurück; er empfand bei diesen Erinnerungen eine Mischung aus Melancholie und Ärger. Die Wehrmacht, die frühere Reichswehr, wurde nun zum Spielball von Kleinbürgern, die in der NSDAP zu Macht gelangt waren. Die alten militärischen Traditionen zählten nicht mehr; es gab kaum noch Platz für Ehre.
    Wörmann hob die Lider und starrte in die Dunkelheit. Zwar verloren sich die Umrisse der Wand ihm gegenüber in den Schatten der Nacht, aber er spürte die Präsenz der Kreu ze. Sie vermittelten ihm einen seltsamen Trost.
    Der
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