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Wider die Unendlichkeit

Wider die Unendlichkeit

Titel: Wider die Unendlichkeit
Autoren: Gregory Benford
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veränderliche Lichtebenen auflöste. Er schüttelte den Kopf. Die Welt bewegte sich rastlos, während Eisflächen sich teilten, aufeinanderprallten, und nur die fernen Klippen fest und verläßlich waren. Er kämpfte sich durch ausgespülte Cañons. Tiere rasten in Panik über die Hügel. Wie aus großer Höhe schaute Manuel in seiner zunehmenden Erschöpfung auf die flüchtenden Gestalten. Hier wuchs und verbreitete sich Leben – wie eine Krankheit vordringt und verzehrt und beim Verzehren töten muß. Es sollte mehr sein, dachte er. Eine Gattung von Lebewesen könnte ins Universum kommen, die am Ende nicht alles aufzehren oder beherrschen oder jede Nische mit ihrem kostbaren Ich füllen wollte. Es würde ein eigenartiges Ding sein, mit genügend niederer Biologie in sich, um den schnellen, blitzartigen Überlebenssinn zu besitzen. Aber es müßte auch etwas von der Maschine in sich haben, von ihrer passiven und hinnehmenden Eigenschaft der Pflichterfüllung, des Wartens und jenes Denkens, das weiter ging als das endlose Aufzehren oder die Angst zu sterben. Für ein solches Ding wäre das Universum kein Schlachtfeld, sondern ein Theater, wo ewige Träume aufgeführt wurden und es am besten war, im Publikum zu sitzen. Vielleicht könnte die Evolution, die am Anfang eine blinde Kraft gewesen war, die gegen alles drängte, einen Weg zu jenem schwankenden, merkwürdig dauerhaften Stadium finden.
    Manuel taumelte, fing sich wieder und lief weiter. Er fühlte sich jetzt selbst in eben diesem abgelösten Zustand. Das Bip-bip-bip zog ihn weiter. Sein steter Klang hallte in seinem Helm wider, und um den sickernden Schmerz in seinen Beinen zu vergessen, dachte er an damals, als er sich, Old Matt im Arm, abgemüht und den Leitsender gehört hatte – den langen, hallenden, tröstenden Funkruf, von dem jeder Impuls durch die dichte, fließende Stille drang, hinausjagte und widerhallte, wartete, bis der nächste einstimmte, jeden Ton auf den vorhergehenden türmte, hämmernd eine menschliche Präsenz im Angesicht der öden Leere formte. Doch jetzt empfand er das geistlose Zirpen des Bip-bip-bip nicht als Trost. Es war nur ein Idiotengeheul, so aufreizend wie die leichten Theorien und billigen Weisheiten Hirukos, so bedeutungslos wie das anbiedernde Verständnis der Erdler. Piet und die übrigen Bürger – sie waren nicht für die rauhe Welt jenseits ihrer sozialen Sicherungen geschaffen, wo sie wirklich Wagnisse eingehen und ewigen Tod riskieren mußten, sich mit einer Unendlichkeit messen mußten, welche sie anbeteten, aber nicht verstanden …
    Vor ihm explodierte ein Geysir, spie Dampf und schleuderte Felsstücke hoch. Er wich ihm über eingesackte Hügel und gefaltete Bergruinen aus. Er keuchte, nahm den stechenden Geruch heißgelaufener Lager wahr. Es war schwer, auf Ganymed zu fallen, aber als eine Platte unter ihm kippte, stürzte er mit einer Drehbewegung. Der Aufprall machte ihn benommen. Bip-bip-bip, riefen sie zu ihm hinaus, und ihm fiel das klägliche Ding-ding-ding ein, das Adler gegen seine Gitter geschlagen hatte, eine kurze Berührung, der zu begegnen oder in der richtigen Weise zu antworten er nicht das Gespür oder die Urteilskraft gehabt hatte. So hatte er die Chance verloren, an die er sich immer erinnern würde …
    Er richtete sich auf, löschte die Erinnerung. Nein! Die Vergangenheit war vorüber. Sein Blick suchte nach Orientierungshilfen.
    Ein hochragender Bergzug war zu einer zerborstenen Ebene abgeflacht, wie niedergestampft. Von ihrem Rand spähte er durch treibende Nebel- und Staubbänke.
    Da – Sidon.
    Risse durchzogen die Eierschalenkuppel. Stromschnellen schossen über die Terrassen. Weizenfelder trugen eine graue, gefrorene Blässe. Eine ölige Rauchwolke stieg aus einer Reduktionsanlage.
    Er rief sie fünf Minuten, bevor sie ihm antworteten. Der Anzug-Komm schwankte im Rauschen statischer Störungen und vor dem Hintergrund von blökenden Tieren, Klagerufen, gepreßten Hilfeschreien und gleichmäßigen SOS-Ausstrahlungen. Die Nischen feuchten, blühenden Lebens ließen ihren Chor über die kalte, spröde Weite erklingen. Eine heisere Stimme von Sidon Central antwortete Manuel, nahm die Daten der Unglücksstelle und die Angaben über die benötigten Gegenstände auf und versprach, die Nachricht an Hiruko zu senden. In dem Chaos wußte niemand, wann die Drohnen die Stelle erreichen und Vorräte abwerfen könnten, ganz zu schweigen davon, wann man die Männer aufzunehmen in der Lage
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