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Wider die Unendlichkeit

Wider die Unendlichkeit

Titel: Wider die Unendlichkeit
Autoren: Gregory Benford
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Naturwissenschaft mehrere Dinge bedeutet. In der Geometrie, zum Beispiel, wird es so geschrieben.« Er holte einen Block aus der Tasche und malte das Zeichen auf. »Es bezeichnet einen Punkt im Raum, der alle anderen Punkte enthält. Alle Winkel, alle Perspektiven. Und in einem anderen Zweig der Mathematik ist die durch Aleph null gekennzeichnete Zahl« – er schrieb das Zeichen – »die grundlegende transfinite Zahl in Cantors Mengenlehre – eine Zahl mit der ungewöhnlichen Eigenschaft, daß jeder Teil von ihr so groß wie das Ganze ist.«
    »Das ist verrückt.«
    »Vielleicht. Vielleicht. Kommen Sie weiter!«
    Sie mußten wieder kriechen und sich dann in einem Spalt vorwärtsschieben, der metallisch zu sein schien. Manuel rutschte auf der spiegelglatten Oberfläche. Weitere Gänge mit rundem Querschnitt hatten Öffnungen zu den Seiten hin. Eine Erinnerung nagte an ihm. Die Wände reflektierten sein verdrossenes Gesicht. Die Röhre verengte sich, und vor ihnen leuchtete es verschwommen weiß.
    »Hier – gehen Sie vor!« Piet schob ihn.
    Manuel stand in einer engen Kammer und blickte sich um.
    Schwache Felder griffen nach ihm, konnten aber keinen Halt finden. Vor ihm …
    Etwas drehte sich in einem Lichthalo.
    »Matt!«
    Er taumelte vorwärts und traf auf kissenweiche Luft, die sanft nachgab und dann widerstand. Er kämpfte, konnte aber nicht näher herankommen.
    Trotz des weißen Leuchtens war der Kopf beschattet. Er konnte dem Gesicht nichts entnehmen. Ein Arm war hochgehoben – wie zum Gruß, dachte er. Old Matt war nicht in Helm und Anzug, so wie Manuel ihn damals im Aleph gesehen hatte, sondern in einem locker sitzenden Overall. Der Körper drehte sich allmählich nach links, dann hob sich der Schatten ein wenig von dem Gesicht, und er konnte erkennen, daß die Lippen sich mit unerträglicher Langsamkeit bewegten. Manuel versuchte, die Worte zu erfassen, aber bevor die trockenen Lippen sich ganz schließen und die Bewegung beenden konnten, fielen wieder die Schatten – Aber Schatten von was? fragte Manuel sich – auf das ernste Gesicht, das reglos hinausblickte, blaß und faltenlos, scheinbar entspannt und gedankenvoll. Manuel erinnerte sich, wie die trockene Stimme Achte auf mich! gesagt hatte, als sie zum letzten Mal mit dem E-Strahler auf das Aleph zugegangen waren. Achte auf mich!
    Der Körper drehte sich weiter. Der vage Halo wurde über Schultern und Rücken geworfen. Bewegte sich die Hand den Bruchteil eines Zentimeters? Angestrengt starrte er.
    Dahinter war noch etwas. Eine verschwommene Gestalt von etwa der gleichen Größe drehte sich noch langsamer, die Unterarme leicht angehoben. Nur die Umrisse des Körpers waren klar zu erkennen. Im Dunst des Lichts konnte er ausmachen, daß diese Gestalt weniger Einzelheiten offenbarte. Sie war getrübt wie das dunstige Bild aus nur einem Bruchstück einer holografischen Aufnahme. Sie war behelmt, die Beine standen auseinander, als wären sie im Gehen erstarrt. Der Kopf drehte sich – Manuel keuchte. Das Licht schien in den umschleierten Helm, und er sah gerade genug, um den halb lächelnden Mund, die Augen zu erkennen …
    »Was …« Er fuhr zurück. »Was ist das?«
    »Wir hoffen, Sie wüßten es vielleicht.«
    »Ich?«
    »Haben Sie so etwas schon einmal gesehen? Petrowitsch hat berichtet …«
    »Si, etwas. Nachdem wir auf das Aleph geschossen hatten, während ich drinnen war, glaubte ich, Old Matt zu sehen, aber als ich wieder draußen war … Ich …« Den Mund zu einer starren Grimasse verzogen, tat er noch einen Schritt zurück. »Das andere da. Das bin ich.«
    »Das glaube ich auch. Deshalb wollten wir mit Ihnen sprechen, um zu erfahren, wie diese … Kopien entstanden sind.«
    »Ich weiß nicht.« Manuel begann zu zittern.
    »Haben Sie damals nichts gespürt? Etwas, das Sie festhielt, Informationen aus Ihnen herauszog …«
    »Nein.« Er wich noch weiter zurück. Blinzelnd hielt er den Blick auf die ferne Gestalt gerichtet. »Nichts.«
    Piet sagte besänftigend. »Ich bitte Sie inständig, das noch einmal zu überdenken, sobald Sie die erste Reaktion hinter sich haben. Bedenken Sie – Sie sind Christ, nicht wahr? Unsere Akten lassen das erkennen. Bedenken Sie, wie eng die Vorstellung der Erhaltung, der Wiedererstehung in ähnlicher, aber umgewandelter Gestalt – wie eng dies mit Ihrer Kultur verknüpft ist. Es ist die christliche Vision der Wiedererweckung und Erlösung. Und zugleich ist es die Schreckensvorstellung der lebenden Toten, der
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