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Wickelkontakt - Roman

Titel: Wickelkontakt - Roman
Autoren: Katri Dietz
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was ist denn hier los?«, fragte er fröhlich und steckte seinen Kopf durch die Schlafzimmertür.
    Jonas erklärte ihm, so gut es ging, was passiert war. Ich hatte es irgendwie immer noch nicht verstanden. Da hörte ich Maja durchs Babyphone weinen, das hieß, sie war wach. Die Feuerwehrsirene wurde lauter. Maja auch. Ich zog mir schnell Strickjacke und Strümpfe über und schlüpfte in meine Stiefel. Dann hastete ich ins Kinderzimmer, hob Maja auf den Arm, gab ihr einen Kuss und sagte, dass alles gut sei. Schnell zog ich auch ihr dicke Sachen an, zum Schluss ihren Schneeanzug– immerhin war es erst Anfang März und nachts unter null Grad–, und lief mit ihr zurück ins Schlafzimmer.
    Da hörten wir von der Straße her eine Stimme durchs Megaphon: » Achtung, Achtung, hier spricht die Feuerwehr! Alle Anwohner der Straße Löwenzahn werden gebeten, ihre Häuser zu verlassen! Es handelt sich nur um eine Sicherheitsmaßnahme, keine Panik! Bitte verlassen Sie alle Ihre Häuser!«
    Später würden wir bestimmt darüber lachen können. Sehr viel später.
    Nach einiger Zeit hatte sich die Aufregung um uns gelegt, die Nachbarn beäugten uns zwar nach wie vor misstrauisch, aber mit den meisten hatten wir uns gleich in der ersten Nacht aufs Du geeinigt. Wenn man zitternd vor seinem Haus steht, Pfefferminztee aus Thermoskannen trinkt und Feuerwehrmännern mit Gasmasken dabei zusieht, wie sie in Dutzenden an einem vorbei und in die Reihenhäuser rennen, verbindet das ja auch irgendwie. Nach zwei Stunden hatte der Spuk ein Ende, und am nächsten Tag hörten wir folgende Meldung im Radio:
    » Regelrechte Dummheit hat in der Nacht die Feuerwehr in Pinneberg auf Trab gehalten. Nach eigenen Angaben hatten zwei junge Männer bei Elektroarbeiten eine Stichflamme ausgelöst und daraufhin die Feuerwehr verständigt. Um ein Übergreifen des Brandes auf die Nachbarschaft zu verhindern, war der gesamte Pinneberger Löschzug in die Straße » Löwenzahn« gezogen, konnte den bestehenden Brand aber mit einem Feuerlöscher bekämpfen. Aus Sicherheitsgründen waren alle Nachbarhäuser ebenfalls auf Brandherde untersucht worden. Kräfte des Technischen Hilfswerkes waren vor Ort und kümmerten sich um die verstörten Anwohner. Nach zwei Stunden durften alle wieder in ihre Betten.«
    Wie sich später herausstellte, hatte sich einer der Jungs, nämlich Tom, beim Anblick der kleinen Flamme so erschreckt, dass er derjenige gewesen war, der mit den Worten: » Hilfe, es brennt, hier fackelt alles ab« die 112 gewählt und panisch unsere Adresse angegeben hatte.
    Zwei Wochen später haben wir uns eingerichtet, Jonas findet die Farben an den Wänden » schön und lebendig«, alle Kisten sind ausgepackt, und es fühlt sich ganz normal an, hier zu wohnen. Mit einer Nachbarin habe ich mich schon ein bisschen angefreundet, sie heißt Bianca und hat eine Tochter in Majas Alter. Sie war mal Schauspielerin, backt aber jetzt die besten Marzipanmuffins, die ich je gegessen habe, und überlegt, eine private Kindertagesstätte zu gründen.
    Maja hat letzte Nacht bei Oma und Opa übernachtet, damit Jonas und ich mal wieder ungestört sein konnten, deshalb durften wir heute lange ausschlafen. Jonas war schon beim Bäcker gewesen, hatte Brötchen geholt und den Frühstückstisch gedeckt, und den Geräuschen nach duscht er gerade.
    Als ich mich mit meiner Tasse Kaffee an den Tisch setze, fällt mir ein Brief ins Auge, der neben dem Teller liegt. » Mütter – die Zeitschrift für Mütter« steht oben links als Absender. Unschlüssig drehe ich den Brief hin und her. Heutzutage werden Absagen ja nicht mehr als große, bedrohlich wirkende Umschläge verschickt, sondern kommen still und heimlich im Normalformat. Meistens sogar als » maschinell erstelltes Schreiben«, das nicht mal mehr eine Unterschrift braucht. Bei einem Jugendsender hatte ich mich mal so oft für ein Praktikum beworben, bis ich irgendwann einen Brief bekam mit den Worten: » Liebe Frau Sonnenberg, vielen Dank für Ihr ausgeprägtes Interesse an unserem Sender und Ihre damit verbundene wiederholte Mühe, aber BITTE bewerben Sie sich nicht mehr bei uns!! NIE WIEDER! Es hat keinen SINN!«, oder so ähnlich. Jedenfalls war es eine ziemlich deutliche Absage gewesen.
    Dieser Brief, der nun heute, an diesem strahlenden Frühlingsmorgen, zwischen Lätta, Schinken und Himbeermarmelade liegt, schaut mich fragend und abwartend an und sieht dabei eigentlich ganz freundlich aus. Ich kann Maja und meine
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