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Wickelkontakt - Roman

Titel: Wickelkontakt - Roman
Autoren: Katri Dietz
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voller Rachegelüste hinterher. Jonas hielt sich aus allem raus, und vermutlich hatte er nicht mal mitgekriegt, dass die Schwester ihm schöne Augen machte.
    Ich grummelte vor mich hin; allerdings tat mein Magen das auch. Diese Schwester Marie wollte ich aber nicht gerne fragen, ob mein Magengrummeln auch mit der bevorstehenden Geburt zu tun hatte, also fragte ich sie nach dem diensthabenden Arzt. Sie lachte glockenhell.
    » Ein Arzt? Nachts hier im Krankenhaus?« Sie wollte sich schier ausschütten. » Nee, das müsste schon ein Notfall sein, dann können wir die anpiepen. Aber seit der Privatisierung wird hier an allem gespart… Ein Arzt, nachts!« Wieder kicherte sie, während ich mich aufs Bett legte, meinen Bauch entblößte und sie mich mit dem CTG-Gurt umspannte.
    Nach einigen Minuten, die mir wie Stunden vorkamen, sagte Marie: » Sind Sie wirklich sicher, dass Sie Wehen haben? Hier werden nämlich keine verzeichnet.« Offensichtlich wusste sie noch nicht viel von ihrem Job, ich spürte ja eindeutig dieses Ziehen im Unterleib, im Kreuz und das Drücken nach unten. Also stellte ich das mal klar.
    Es gab ein kurzes Wortgefecht, bis Jonas meinte, man könnte doch vielleicht mal eine der Oberschwestern fragen, was das jetzt zu bedeuten hätte. Als kurz danach tatsächlich eine Vorgesetzte das Zimmer betrat, verdüsterte sich meine Laune noch. War Marie der Stationsengel, so war Oberschwester Ermintraut das Gegenteil: Als hätten wir sie gerade bei ihrer Lieblingsbeschäftigung, rohe Kaninchen zu verzehren, aufgeschreckt, blickte sie ungnädig unter faltendurchkräuselter Stirn auf uns hernieder.
    » WAS?« Eindringlich fokussierte sie uns der Reihe nach. Jonas kam dabei ungeschoren davon, an mir beziehungsweise meinem Bauch blieb ihr Blick kurz hängen, bevor er sich letztendlich in Maries Engelsgesicht bohrte.
    » Keine Wehen auf dem CTG?«, motzte Ermintraut die junge Schwester an, als sei das allein ihre Schuld.
    » Nein, Oberschwester«, flüsterte Marie.
    Jetzt war ich an der Reihe– Schwester Teufelsbrut machte einen stampfenden Schritt auf mein Bett zu.
    » Wann hatten Sie das letzte Mal Stuhlgang?«, schnauzte sie mich an und verschränkte die Arme, während sie auf meine Antwort wartete.
    O mein Gott, was für eine Frage, ich wusste es nicht mal. » Äh… keine Ahnung«, nuschelte ich kleinlaut, ebenso hilflos wie kurz zuvor Marie. Warum sollte ich ihr was vormachen?
    » Einlauf!«, befahl Ermintraut und trampelte aus dem Zimmer zurück in ihre Höhle, oder wohin auch immer.
    Mir schwanden die Sinne. Nein, natürlich nicht, aber so eine schöne kleine Ohnmacht wäre jetzt angebracht gewesen. Stattdessen musste ich mir von Schwester Marie einen Einlauf verpassen lassen, und das leider nicht im übertragenen Sinne, während sie weiter meinen Mann anstrahlte. Herrlich. Diese Szene würde ich meiner schlimmsten Feindin nicht wünschen.
    Als ich mich, psychisch und physisch entleert, aber keineswegs erleichtert kurze Zeit später wieder mit meiner Geburtstasche zu Jonas in den Golf setzte, sagte ich kein Wort. Wir fuhren los, zurück nach Hause. Die Wehen hatten nach meiner Entleerung abrupt komplett aufgehört.
    Schwester Ermintraut hatte kurz vor unserem Abmarsch noch betont, dass ich lediglich an einer akuten schwangerschaftsbedingten Verstopfung gelitten hätte und dass es bis zur Geburt durchaus noch eine bis zwei Wochen dauern könnte. Na dann, tschüss bis bald, du Horrorkuh…
    Zum Glück war sie bei Majas Geburt drei Tage später nicht im Dienst, Engelsgesicht Marie auch nicht, dafür zwei hartgesottene Hebammen, die sich mit den Stationsschwestern die Arbeit teilten und sich um die Gebärenden kümmerten, Placebo-Schmerzmittel und Spritzen statt guter Worte herausgaben und mich mit militärischem Geschrei vom Pressen abhalten wollten, als es so weit war.
    Ich bekam Maja, verschmiert wie sie war, auf den Arm und war auf der Stelle so verliebt, wie ich es nie für möglich gehalten hätte. Sogar meine Liebe zu Jonas verschwamm dagegen, wurde diffus und ungreifbar. Jetzt wollte ich nur noch für dieses eine Wesen leben, für mein Würmchen, meine Prinzessin, dieses Wunder, das wir gezeugt hatten. Jetzt bekam mein eigenes kleines Leben einen Sinn. Die Gefühle überwältigten mich, aber ich war zu glücklich, um zu heulen.
    Jonas schnitt vorsichtig die Nabelschnur durch, streichelte selig und verzückt Majas dunkles Köpfchen und sagte mit belegter Stimme: » Willkommen bei uns.«
    Und wir begannen
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