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Wickelkontakt - Roman

Titel: Wickelkontakt - Roman
Autoren: Katri Dietz
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auf einmal einen leichten Rotschleier vor Augen und war bereit, jemanden im Affekt zu erschlagen. Gerrit hielt eine triefnasse Ladung Tops, Gürtel und Handtaschen im Arm, und ich schubste ihn, so dass er nach hinten stolperte und meine persönlichen Sachen fallen ließ.
    » Was fällt dir ein?«, zischte ich ihn an und hob eine D&G-Tasche auf, die ich lange nicht gebraucht, aber immer geliebt hatte. Meine hochhackigen Jeanssandalen lagen gleich daneben, ich schnappte sie mir und hielt sie fest umklammert. Mit den Schuhen schlug ich auf jeden ein, der sich mir oder den Mülltonnen auch nur nähern wollte, schrie immer wieder: » Das ist mein Leben, das ihr da wegwerfen wollt!« und fuchtelte wie eine Irre mit den Sandalen herum. An den Fenstern des Mietshauses sammelten sich schon die Zuschauer. Jonas kam schnaufend aus dem Keller, im Arm meine nassen Abendkleider. Erstaunt sah er mich an.
    » Was machst du denn, warum schreist du hier so rum?«, fragte er irritiert. Jetzt gab es ja wohl Klärungsbedarf.
    » Du und deine idiotischen Freunde!« Ich zeigte mit einer Sandale auf ihn und verzog mein Gesicht vor Wut zu einer Hexenfratze. » Warum werft ihr meine schönen Sachen weg?« Ich bekam kaum noch Luft, weinte und schniefte. Ängstlich lugte ich schließlich in den Müllcontainer. Es war einer aus Stein, der oben eine Klappe hatte, in die man seinen Müll warf, und zu dem es keinen Schlüssel gab, um die Mülltonnen einzeln herauszuholen. Oder zumindest hatten wir keinen. Ganz unten, so viel sah ich, zwischen alten Windeln, Kaffeefiltern und halbleeren Dosen mit Heringssalat lagen meine Lieblings-T-Shirts. Jetzt gab es kein Halten mehr. Der Anblick brach mir das Herz. Ich sank auf die Knie und trommelte mit den Fäusten gegen den Container. Dann wandte ich mich an Jonas. » Wenn du mich liiiiebst«, schluchzte ich, » wenn du mich liebst, holst du meine Klamotten da raus!«
    » War schon immer etwas komisch gewesen…«, hörte ich jemanden aus dem Haus murmeln, » …sich so aufzuführen!« und » Sind doch nur ein paar alte Klamotten…« Bei diesen Worten heulte ich wie getroffen auf. Es war mir egal, was andere dachten. Diese Kleidungsstücke und Accessoires bedeuteten mein Leben, mein altes Leben, und es war alles, was ich davon noch hatte. Es wegzuwerfen bedeutete, es auszulöschen. Wieder weinte ich, ich saß auch immer noch auf dem Boden vor den Mülltonnen.
    Andi, der Bühnentechniker, sah etwas verlegen drein. In seinen Händen hielt er eine schimmelige und Gestank verbreitende Papiertüte von ESPRIT, die bis obenhin voll gestopft war mit Spitzenunterwäsche. Monatelang hatten meine Sachen in einer regelrechten Moddergrube verbracht, ohne dass mir das bewusst gewesen wäre.
    » Aber Süße«, sagte Jonas vorsichtig, während er meine Kleider aus Samt und Seide vorsichtig über einen Zaun hängte. Dann hockte er sich vor mich hin. » Ich dachte, du wolltest das ganze Zeug eh wegwerfen! Deshalb war es doch im Keller, oder nicht?« Ich starrte ihn ungläubig an. Wegwerfen? Ich? Meine SACHEN? Das ganze ZEUG? Spinnt der? Da mussten wir aber noch mal dran arbeiten. Wahrscheinlich brauchten wir einen Therapeuten und mehrere Jahre, bevor ich ihm wieder vertraute, aber wie ich jetzt erkannte, hatte er nicht aus purer Bosheit gehandelt. Dennoch hieß es augenblicklich: » Rettungsaktion einleiten«.
    » Quatsch«, sagte ich und rappelte mich langsam auf. Wollte uns jetzt noch jemand zusehen, er hätte sich schon einen Weg durch die Menge bahnen müssen, so viele Menschen hatten sich inzwischen um uns versammelt. Es war ja auch Samstag, alle wollten zum Einkaufen. Und war da nicht sogar die schwerhörige Oma von nebenan?
    Jonas nahm mir die Jeanssandale aus der Hand und sah mich zerknirscht an. » Echt, ich dachte, das wäre in deinem Sinne, dass das alles weg soll!«
    Er sah ganz schön betreten aus, und fast tat er mir leid. Allerdings trotzdem etwas dämlich von Jonas zu denken, ich wollte meine Lieblingssachen wegwerfen, aber vielleicht sind Männer da eben einfach… anders. Wie gesagt: Es würde lange dauern, bis ich ihm wieder vertrauen konnte.
    Dann erklärte er mir, dass es gar nicht meine Schuld gewesen war, dass die Sachen alle trieften und stanken. Ein Ast des Rhododendrons vor dem Haus musste bei Sturm das dünne Fenster zerbrochen haben, so dass sich darunter genügend Regenwasser sammeln konnte, um eine kleine Sintflut auszulösen. Durch den stetigen Regen, der über ein Jahr lang durchs kaputte
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