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Blitz kehrt heim

Blitz kehrt heim

Titel: Blitz kehrt heim
Autoren: Walter Farley
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Der Anschlag

    In tiefer nächtlicher Finsternis lag das alte Stallgebäude. Ein eisernes Tor quietschte, und gleich darauf schlich sich ein kleiner, untersetzter Mann an der Seitenwand des Stalles entlang. Er bewegte sich mit äußerster Vorsicht; seine fleischige Rechte tastete sich behutsam voran bis zur Tür, an der er innehielt und in seiner rechten Jackentasche etwas suchte, was er zu seinem großen Verdruß nicht fand. Eine Verwünschung murmelnd, griff er unbeholfen mit seiner rechten Hand in die linke Tasche hinüber, zog erst den dort leer hängenden linken Jackenärmel und danach eine Injektionsspritze heraus. Sein dunkelhäutiges Gesicht verzog sich zu einem hämischen Grinsen. Er ging jetzt auf Zehenspitzen weiter, ohne sich die Mühe zu machen, den leeren Jackenärmel wieder in die Tasche zurückzustopfen.
    Lautlos öffnete er die Stalltür und betrat den Raum. Seine an die Dunkelheit gewöhnten Augen erkannten sogleich die beiden Boxen an der anderen Seite. Als er darauf zuging, preßte sich sein Daumen griffbereit auf den Kolben der Spitze.
    Aus der einen Box kam das Geräusch vom Aufsetzen kräftiger Pferdehufe auf den Boden. Dann sah ein edler, kleiner, sehr wildblickender Pferdekopf über die Barriere. Die feinen Nasenflügel vibrierten, und die Ohren stellten sich scharf lauschend nach vorn. Unwillkürlich blieb der Eindringling stehen. Das Pferd schüttelte die lange, schwarze Mähne und schlug mit einem seiner gewaltigen Vorderhufe gegen die Lattentür. Ein Brett knackte, als sich der Mann vorwärtsbewegte. Er sagte sich, daß er sehr schnell und geschickt würde handeln müssen. Mit kurzen Schritten näherte er sich der niedrigen Tür der Box, für seine Korpulenz erstaunlich geschwind. Er öffnete die Tür, hatte aber nicht damit gerechnet, daß ihn der riesige Rapphengst ohne Besinnen angreifen würde — nur ein hastiger Sprung rückwärts rettete ihn vor den energisch zuschlagenden Hufen.
    Der Mann faßte die Injektionsspritze fester und näherte sich dem Pferd von neuem, diesmal mit größerer Vorsicht. Er hielt inne, sein fettes Gesicht zuckte nervös. Das riesige Tier erhob sich mit aufgerissenem Maul und wütend geblecktem Gebiß auf die Hinterhand. Als es wieder auf seine vier Beine zu stehen kam, versuchte der Mann, die Mähne zu packen; aber er flog, vom Schlag des einen Vorderhufs getroffen, mit Wucht gegen die Barre. Tief erblaßt wankte er zurück und versuchte die Tür der Box hinter sich zu schließen; doch auf dem halben Weg bäumte sich der Hengst von neuem. Der Mann stolperte vor Schreck und fiel zu Boden. Furchterregend schlugen die Hufe über ihm die Luft. Die metallene Spritze entfiel seiner zitternden Hand, als die wuchtige Gestalt auf ihn zukam. Blitzschnell rollte er sich zur Seite; dadurch entging er um Haaresbreite den drohenden Hufen. In verzweifelter Hast rappelte er sich auf und floh, von Entsetzen gepeitscht, zum Stall hinaus.
    Draußen hörte er Stimmen, die sich vom Hoftor her näherten. Eilends verschwand er in der entgegengesetzten Richtung, aufgeschluckt von der Finsternis der Nacht.
    Gleich darauf stürzte ein Junge mit einer Taschenlampe durch die Stalltür. Ihm folgte ebenso hastig auf krummen Reiterbeinen ein älterer Mann.
    „Etwas stimmt nicht, Henry!“ rief der Junge, „die Tür steht ja offen!“
    Der mit ,Henry’ Angeredete griff nach der Taschenlampe. „Laß mich vorgehen, Alec, bleib stehen!“
    Ungeduldig wartete der Junge, während Henry den Stall betrat. Alec rieb und kniff vor Nervosität seine noch kindliche Stupsnase, und ein ängstlicher Ausdruck stand in seinem sommersprossigen Gesicht. Wenn Blitz, seinem über alles geliebten Rappen, etwas passiert wäre! Gleich darauf hörte er das kurze Wiehern und das Stampfen der Hufe des Pferdes. Er atmete auf. Vielleicht war doch nichts Böses geschehen! Sein Blick schweifte über den Hof und weiter in das dahinterliegende offene Feld hinaus. Eben begann es zu dämmern; er vermochte schon den hohen weißen Zaun, der die nördliche Seite des Anwesens begrenzte, zu erkennen. Zu sehen war weit und breit niemand. Er zog den Gürtel, der seine Cordhosen hielt, fester und fuhr sich mit der Hand durch sein wirres Haar. Das Licht im Stall anknipsend, erschien jetzt Henry in der Stalltür und winkte dem Jungen hereinzukommen.
    Blitz befand sich in seiner Box, schnaubte zärtlich, als er Alec erblickte, und schüttelte seine schwarze Mähne, die wie ein Federbusch erst in die Höhe flog, dann wieder zur
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