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Wesen der Nacht

Wesen der Nacht

Titel: Wesen der Nacht
Autoren: Brigitte Melzer
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lallend eingeschlafen war.
    Als Dad schließlich zurückkehrte, war er allein. Er wirkte müde, doch er war nicht mehr so blass wie letzte Nacht. Jemand hatte sich um seinen Arm gekümmert, den er jetzt in einer Schlinge trug. Außerdem war er rasiert und hatte sich umgezogen.
    Er blieb in der Tür stehen und musterte mich. »H ast du auch nur eine Minute geschlafen?«
    »W enn ich alles zusammenzähle, bringe ich es garantiert auf drei Minuten.« Ich war die ganze Zeit über nicht von Cales Seite gewichen. Nachdem seine Verletzungen versorgt waren, hatte ich mir einen Stuhl an sein Bett gezogen, um bei ihm zu sein. Solange ich nicht gewusst hatte, wo Dad war und ob es ihm gut ging, war für mich an Schlaf nicht zu denken gewesen. Selbst jetzt, wo er unversehrt vor mir stand, glaubte ich immer noch nicht, dass ich auch nur ein Auge zumachen konnte.
    »W ie wäre es mit etwas zu essen?« Er warf einen Blick auf Cale. »E r wird es nicht merken, wenn du ein paar Minuten fort bist.«
    Mit einem raschen Blick überzeugte ich mich davon, dass Cale auch wirklich noch atmete. Erst als ich sah, wie sich seine Brust unter regelmäßigen Atemzügen hob und senkte, und spürte, wie die Luft aus seiner flachen Nase strömte, folgte ich Dad in die Küche.
    Er wartete am Fuße der Treppe auf mich, und als ich die letzte Stufe hinter mir ließ, umfing er mich mit seinem unversehrten Arm und zog mich fest an sich. Minutenlang sagte keiner von uns ein Wort. »D u bist die tapferste Tochter, die ich mir vorstellen kann. Und die wunderbarste.«
    Als er mich schließlich freigab, sah ich Tränen in seinen Augen schimmern. Ich schluckte und presste ein »d u bist auch nicht übel für einen Dad« heraus, das uns beide zum Lachen brachte.
    Obwohl er verletzt war, bestand er darauf, dass ich mich hinsetzte und ihm zusah, wie er uns Spiegeleier briet. »W as hat der Rat gesagt? Was passiert jetzt? Wo ist Trick? Werden diese Hüter wiederkommen?« All die Fragen, die sich während der letzten Stunden in mir aufgestaut hatten, sprudelten jetzt ohne Punkt und Komma aus mir heraus. Vermutlich hätte ich noch lange nicht aufgehört, hätte Dad sich nicht zu mir herumgedreht und warnend den Pfannenwender gehoben.
    »W enn du nicht mal zwischendurch Luft holst, werde ich wohl überhaupt keine Gelegenheit für eine Antwort bekommen.«
    Ich klappte den Mund zu.
    Er schob zwei Scheiben Toast in den Toaster und wandte sich mir wieder zu. »D er Rat hat seine Mittelsmänner ausgeschickt, um die Hüter im Jenseits einzusammeln. Es dürfte nicht sonderlich schwer sein, sie zu finden. Vermutlich trauen sie sich keine zwei Meter vom Tor weg, aus Angst, von Dämonen gefressen zu werden.«
    »W eißt du, was ich nicht verstehe?« Es war eine rhetorische Frage und ich gab die Antwort gleich selbst. »D ie Hüter wussten, dass ich hier war. Zu diesem Zeitpunkt wussten sie auch längst, dass sie mein Bl–« Das Wort Blut wollte mir nicht über die Lippen kommen. »D ass sie mich für ihr Ritual brauchen würden. Warum haben sie mich nicht sofort zu dir in den Keller verfrachtet?«
    »D asselbe habe ich Derek auch gefragt. Er hat sie davon überzeugt, dass es leichter wäre, dich ahnungslos hier herumlaufen lassen und zu beobachten, als dich mehrere Tage einzusperren und fürchten zu müssen, dass dir die Flucht gelingt.«
    »A lso hat er Supermarkt davon überzeugt, mich in Ruhe zu lassen.«
    »S upermarkt?«
    »I ch weiß nicht wie er heißt, deshalb nenne ich ihn nach dem Ort, an dem ich ihm das erste Mal über den Weg gelaufen bin.« Derek hatte sich tatsächlich mit ihm geprügelt, aber nicht, um ihm einen magischen Gegenstand anzuhängen, der ihn von mir fernhielt. Stattdessen hatte er Supermarkt offensichtlich klar gemacht, dass es für alle leichter sein würde, wenn er mich im Auge behielt und am Tag des Vollmondes unter einem Vorwand zu ihnen brachte. Den Schlag hatte er sich vermutlich absichtlich verpassen lassen, damit ich ihm seine Geschichte abkaufte. Und ich war darauf hereingefallen. Ich hatte ihm vertraut und war ihm blind gefolgt, als er mir von der Spur zu Dad erzählt hatte. Ich konnte immer noch nicht fassen, dass er nicht nur mit den Hütern zusammengearbeitet, sondern auch versucht hatte, Cales Herzstein zu verkaufen. Damit war ich nicht nur einmal, sondern gleich doppelt auf ihn hereingefallen, ich dummes Ding.
    »W as ist mit Derek? Was passiert jetzt mit ihm?«
    Ein Schatten legte sich über Dads Augen, und ich fragte mich, wie er
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