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Wer viel fragt

Wer viel fragt

Titel: Wer viel fragt
Autoren: Michael Z. Lewin
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lächelten beide, zweifellos in Erinnerung an
     die Sonne und den Mond von Miami. Mir gefiel das Bild. Es ließ das
     Band zwischen Leander und seiner erwiesenermaßen auf Irrwege
     geratenen Frau in etwas besserem Licht erscheinen. So ein Honeymoon kann
     doch etwas Wunderbares sein.
    Während ich mich auf das
     Ende des Jahres zukurbelte, ging mir auf, daß es eine etwas
     effizientere Art der Suche gab. Ich wußte von drei weiteren
     bedeutsamen Ereignissen der Familiengeschichte: Eloise' Zeugung, Eloise'
     Geburt und der Tod von Estes Graham.
    Wenn Eloise jetzt sechzehn
     war, dann mußte sie 1954 oder Ende '53 geboren sein. Die Zeugung mußte
     weitere neun Monate zurückliegen. Und Graham war, wie Maude gesagt
     hatte, '53 oder '54 gestorben.
    Die Erkenntnis traf mich wie
     ein Blitzschlag! Auf der Geburtstagsfeier 1953 hatte irgendein
     skrupelloser Reporter Fleur mit schwarz gebranntem Schnaps betrunken
     gemacht und anschließend geschwängert. Leander war gerade
     anderweitig beschäftigt gewesen, und Fleur hatte sich zu sehr geschämt,
     um ihm oder ihrem Vater zu gestehen, daß sie getrunken hatte. Als
     sie dann später entdeckte, daß sie schwanger war, wußte
     niemand, daß Leander nicht der Vater war, bis Eloise darüber
     stolperte. Ende des Falls. Reporter können wirklich solche Lumpen
     sein!
    Ich warf einen Blick auf die
     Klatschseiten vom 13. Februar 1954 und hoffte, dort etwas über die
     Geburtstagsfeier zu finden.
    Aber ich fand nichts.
     Vermutlich hatte keine Feier stattgefunden. Estes war entweder bereits tot
     oder wenigstens krank gewesen. Oder aus Gründen, die ich nicht
     kannte, nicht geneigt, seinen Dreiundachtzigsten feierlich zu begehen.
    Ich kurbelte zurück in
     die Vergangenheit, Tag für Tag.
    Diesmal sah ich sowohl die
     Gesellschaftsseiten als auch die Nachrufe durch.
    Ich kam bis zum 2. Oktober
     1953, bevor ich etwas fand. Und zwar ein Bild von Fleur, Leander und
     Estes, wieder auf dem Weir Cook Airport. Die Crystals auf dem Weg nach
     Frankreich.
    Kein Hinweis, wie lange sie
     dort bleiben wollten. Nur die Mitteilung, daß sie einige der Stätten
     besuchen wollten, an denen Leander im Krieg gewesen war. Und den Ort
     aufsuchen, wo Fleurs jüngster Bruder, Joshua, im Krieg gestorben war.
    Das Bild bewies auch, daß
     Estes im Oktober '53 und wahrscheinlich auch an seinem Geburtstag noch
     gelebt hatte.
    Ich wußte, warum Estes
     seine alljährliche Fete nicht veranstaltet hatte: Er konnte keinen
     vernünftigen Rausschmeißer als Ersatz für Leander
     bekommen.
    Also mußte der alte
     Mann nach seinem dreiundachtzigsten Geburtstag gestorben sein. Ich
     kurbelte zurück in den Februar '54 und setzte die
     Gesellschaftsseiten-Nachrufsuche in die andere Richtung fort.
    Die ganze Sache schlug mir
     langsam auf die Stimmung. Ich fand die Todesanzeige eines Mitschülers
     aus meiner Grundschulzeit. Und ich hoffte, daß Fleur und Leander zurück
     sein würden, bevor Estes starb.
    Und um elf Uhr fünfzig
     wurde meine Zuversicht belohnt. 18. April 1954. Fleur und Leander waren
     nach ihrer langen Reise in die Vergangenheit zurück auf dem Weir Cook
     Airport. Ich nahm meine Finger zu Hilfe. Sie waren sechseinhalb Monate
     unterwegs gewesen.
    Ich befand, daß es
     jetzt erst einmal genug sei. Ich machte Mittagspause.
    Nachdem ich die Mikrofilme
     wieder verpackt und zurückgestellt hatte, wollte ich nichts als
     frische Luft und Sonnenschein. Oder besser gesagt, einfach Luft und
     Sonnenschein. Auf dem Weg nach draußen machte ich an einer
     Telefonzelle halt und rief meine eigene Nummer an. Mein Telefondienst
     berichtete schläfrig, daß es am ganzen Vormittag keinen
     einzigen Anruf für mich gegeben habe. Eine leicht deprimierende
     Nachricht. Die Geschäftsflaute hielt schon den neunten Tag an.
    Beim Mittagessen mußte
     ich mich zwischen Qualität und Bequemlichkeit entscheiden. Nachdem
     ich mich dazu entschieden hatte, den Tag mit einer gewissen Klasse zu
     durchleben, konnte die Wahl nur Qualität lauten. Das bedeutete Joe's
     Fine Food und einen Weg von fünf Häuserblocks bis zur Ecke
     Vermont und Illinois.
    Joe's gibt es zwar erst ein
     paar Jahre, aber zum Mittagessen ist es einer der besten Läden in der
     Stadt. Vor allem montags und dienstags, wenn mexikanische Gerichte auf der
     Karte stehen.
    Aber selbst am Donnerstag ist
     es für einen qualitätsbewußten Mann gut genug.
    Ich hatte das mäßige
     Glück, einen Thekenplatz nahe der Tür zu ergattern. Der
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