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Wer viel fragt

Wer viel fragt

Titel: Wer viel fragt
Autoren: Michael Z. Lewin
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Laden
     war gerammelt voll. Und es heißt schon etwas, wenn ein Restaurant
     mittags voll ist. Ich weiß davon ein Lied zu singen, weil meine
     Mutter eine Imbißstube betreibt.
    Ich bestellte mir einen
     Cheeseburger und ein paar andere Delikatessen. Und gönnte mir einen
     Schluck Wasser. Dann dachte ich über die Europareise der Crystals
     nach. Sie waren fast sieben Monate unterwegs gewesen. Wenn Eloise jetzt
     sechzehn war, dann war sie sehr wahrscheinlich in Europa empfangen worden.
    Diese Erkenntnis verfehlte
     ihre deprimierende Wirkung auf mich nicht.
    Die Suche nach einem
     biologischen Vater ist schon schwer genug, wenn man es mit einer
     begrenzten Anzahl von Freunden zu tun hat, die um ein junges Mädchen
     herumscharwenzeln.
    Aber wenn betreffendes Mädchen
     vor fast siebzehn Jahren während einer Reise durch Europa geschwängert
     wurde, steigt die Zahl der möglichen biologischen Väter auf
     atemberaubende Weise an.
    Ich verzehrte meine Mahlzeit
     in stiller Resignation und mit deutlich weniger Genuß, als ich mir
     versprochen hatte. Wenn meine Annahme zutraf, daß Eloise in der Zeit
     von Mitte Juni 1954 und vielleicht Mitte Dezember geboren wurde, dann war
     sie an fremdem Gestade gezeugt. Und in diesem Falle schrieb man
     wahrscheinlich am besten einfach die Verluste ab - einen halben Arbeitstag
     - und schickte das Kind zu einer großen Detektei mit Verbindungen
     ins Ausland. Was tat ich also?   
    Ich gönnte mir einen
     Extrakaffee.
    Also gut. Etwas, das wie ein
     interessanter Fall aussieht, kommt durch meine Tür spaziert, mitten
     in einer totalen Dürreperiode, und spaziert dann wieder hinaus.
    Ich nahm noch einen Kaffee.
     Und ließ innerlich den Kopf hängen, bis hinunter auf die Theke.
     Na schön. Wollen wir anderen den Tag nicht verderben. Ich hinterließ
     ein ordentliches Trinkgeld und trat wieder hinaus in die Herbstsonne.
            
    Alle Probleme sind zunächst
     einmal zu groß, um mit ihnen fertig zu werden. Das Wichtigste ist,
     sie in einzelne, lösbare Teile zu zerlegen. Die richtigen Fragen zu
     stellen.
    Welche Fragen hatte ich
     bisher gestellt? Nur: »Wo war die Mutter zur Zeit der Empfängnis?«,
     und darauf hatte ich nicht die Antwort bekommen, die ich haben wollte.
    Na toll.
    Ich hatte noch nicht einmal
     die eigentliche Frage gestellt. Ich war nicht zu Fleur Crystal gegangen
     und hatte sie direkt gefragt.
    Vielleicht würde sie es
     mir sagen. Vielleicht, wenn ich sie betörte. Oder sie hereinlegte. Es
     gab viele Möglichkeiten. Mir standen alle Wege offen.
    Ich beschleunigte meine
     Schritte. Eine der Fragen, die ich stellen mußte, war, ob sich die
     Sache mit den Blutgruppen wirklich so verhielt, wie Eloise es dargestellt
     hatte.
    Ich nahm mir die
     Mikrofilmrollen von April 1954 bis Dezember 1954 vor, und ich kurbelte
     unermüdlich weiter, mit mehr Biß als am Vormittag.
    Am 3. Juni erfuhr ich, daß
     Fleur Crystal ein Kind erwartete.
    Eloise' erster Auftritt. Die
     Geburt des Babys und Erben wurde Mitte Oktober erwartet. Ich zählte
     an den Fingern ab, daß der Termin für die Empfängnis dann
     ungefähr Mitte Januar 1954 gewesen sein mußte. Mitten im kalten
     französischen Winter.
    Ich sprang nicht direkt bis
     zum Oktober vor. Ich wollte ja immer noch eine Nachricht von Estes' Tod
     finden. Und ich wollte auch wissen, ob es vielleicht eins dieser abartigen
     Rituale gegeben hatte, die man eine Babyparty nennt.
    Ein Bericht darüber würde
     mir vielleicht die Namen von ein oder zwei hilfreichen Freundinnen
     verraten, mit denen ich über Fleur reden könnte.
    Aber ich bekam keine
     Gelegenheit, mich durch eine Babyparty etwas anregen zu lassen. Den ganzen
     Sommer hindurch wurde von nichts dergleichen berichtet. Aber ich fand
     Estes Grahams Nachruf. Er starb am 2o. August 1954 an einem Herzschlag. Er
     hatte nicht lange genug gelebt, um seine Enkeltochter kennenzulernen.
    Aus dem Nachruf erfuhr ich
     zum ersten Mal etwas über Fleurs Mutter. Sie war die geborene Irene
     Olian, Tochter eines Reverend Billy Lee Olian. Sie hatte Estes 1916
     geheiratet und ihm vier Kinder geschenkt. Drei Söhne, Windom, Sellman
     und Joshua. Und die Tochter Fleur. Die drei Söhne waren im Zweiten
     Weltkrieg umgekommen. Aber Irene Olian Graham war bereits 1937 verstorben.
     Nur Fleur, Leander und die noch nicht geborene Eloise hatten Estes überlebt.
    Ich mußte an das Bild
     von der Hochzeit denken. Vor allem daran, daß Leander Crystal in
     Uniform geheiratet
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