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Wer viel fragt

Wer viel fragt

Titel: Wer viel fragt
Autoren: Michael Z. Lewin
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sie sich als
     faules Ei erweist.
    Eloise Crystal kam um zehn
     vor vier in mein Büro. Damit gab sie mir einen Anhaltspunkt, wie
     lange sie vor ihrem Besuch um sechzehn Uhr fünfundzwanzig am Vortag
     gezögert hatte.
    Aber nicht allein die
     Ankunftszeit hatte sich geändert.
    Selbstvertrauen sprach aus
     ihrem Gang, aus der Selbstverständlichkeit, mit der sie Platz nahm.
     Heute war der Stuhl bereits ihr Stuhl. Sie wirkte gegenüber ihrem
     letzten Besuch wie ausgewechselt. Heute hatte sie sich jugendlicher
     gekleidet - Rock, Bluse, Sandalen, keine Sonnenbrille -, und trotzdem
     wirkte sie reifer. Eine selbstsichere junge Frau. Mein fünfzehnjähriges
     Chamäleon.
    »Also«, sagte
     sie, »wie geht's voran? Haben Sie seinen Namen schon?«
    Sie scherzte, und ich
     vermutete, daß sie nur wenig von der Langeweile und Gleichgültigkeit
     der Welt ahnte. Der Scherz von heute wurde in der nächsten Woche
     vielleicht zur ernstgemeinten Frage, und es konnte leicht geschehen, daß
     ich ihr dann immer noch nicht mehr zu sagen haben würde.
    »Ich habe heute tatsächlich
     etwas in der Sache getan. Aber wir haben uns immer noch nicht geeinigt, ob
     ich nun wirklich für Sie arbeiten werde oder nicht.«
    Sie ließ den Kopf ein
     wenig sinken und sagte: »Ich weiß.
    Aber ich habe noch einmal darüber
     nachgedacht, und ich bin wirklich froh, daß ich mich gestern dazu
     durchgerungen habe herzukommen. Irgendwie ist mir ein Stein vom Herzen
     gefallen.
    Weil ich mich endlich
     entschlossen habe, etwas zu unternehmen, um mir Klarheit zu verschaffen.«
    »Ich dachte, Sie hätten
     die Sache mit den Blutgruppen erst vor ein paar Wochen herausgefunden.«
    Sie nickte. »Aber ich
     habe immer gewußt, daß irgend etwas nicht stimmte. Vorher wußte
     ich bloß nicht, was.«
    »Was mit Ihnen nicht
     stimmte?«
    »Ja. Ich muß
     irgend etwas an mir haben, das zu Spannungen zwischen den beiden führt.
     Zum Beispiel könnte ich in Wirklichkeit eine Waise sein.«
    Das denkt fast jeder. »Und
     was glauben Sie jetzt?«
    Sie überlegte und
     versuchte es dann genauso auszudrücken, wie sie es empfand. »Ich
     glaube, Leander weiß, daß ich nicht von ihm bin. Und ich
     glaube, deswegen unterdrückt er meine Mutter irgendwie.«
    Unterdrückt? »Kommen
     die beiden nicht miteinander aus?«
    »Unterdrücken ist
     vielleicht nicht der richtige Ausdruck.
    Jedenfalls unternehmen sie
     überhaupt nichts gemeinsam. Sie lächeln sich nicht einmal an. Er
     geht morgens zur Arbeit und kommt manchmal erst spät wieder heim. Und
     Mama macht sich immer viel Sorgen, daß sie krank sein könnte.
     Und sie haben überhaupt keine Freunde.«
    Das bekümmerte sie.
     Eltern sollten Freunde haben. Mein Kuckuck legte los. Viermal.
    Ich lehnte mich in meinem
     Sessel zurück und legte einen Fuß auf die Kante der obersten
     Schreibtischschublade. Das ist eine meiner bevorzugten Haltungen zum
     Nachdenken. »Eloise«, sagte ich. Es war das erste Mal, daß
     ich ihren Namen aussprach.   
    »Ich höre«,
     sagte sie. Sie wirkte unglücklich.
    »Sehen Sie, ich bin in
     einer schwierigen Situation. Und zwar in erster Linie, weil ich nicht
     sicher sagen kann, daß ich das spezielle Problem, das ich für
     Sie lösen soll, auch wirklich lösen kann. Ich arbeite möglicherweise
     wochenlang und habe dann keinerlei neue Informationen, die Ihnen
     weiterhelfen. Und so was geht ganz schön ins Geld.«        
    »Das habe ich
     begriffen. Ich habe Geld. Ich besitze ein Treuhandvermögen, das mein
     Großvater mir hinterlassen hat.«
    »Das Problem besteht
     darin, daß Sie vielleicht viel bezahlen und nichts dafür
     bekommen.«
    »Das ist mir egal. Ich
     habe sonst nichts, wofür ich es ausgeben könnte.«
    Das schien in der Tat
     einleuchtend.
    »Außerdem muß
     ich Sie darauf hinweisen, daß Sie vielleicht mit einer der großen
     Detekteien besser beraten wären. Ich bin hier nur allein.«
    »Ich habe es mit einer
     davon versucht«, sagte sie. »Einer mit einer großen
     Anzeige in den Gelben Seiten.«
    »Und was haben die
     Ihnen gesagt?«
    »Sie haben mich nicht
     ernst genommen. Sie waren nicht grob oder so, aber sie sagten einfach, sie
     könnten mir nicht weiterhelfen; ich solle einfach meine Eltern
     fragen.«
    »Das ist vielleicht
     kein schlechter Rat.«
    »Ach, das kann ich
     nicht.« Sie schüttelte sich. »Der Mann in der Detektei
     hielt mich Schlichtweg für verrückt.« Sie lächelte
     mich an. »Zumindest in diesem Punkt habe ich
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