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Wo die Liebe beginnt

Wo die Liebe beginnt

Titel: Wo die Liebe beginnt
Autoren: Emily Giffin
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1 – Marian
    Ich weiß, was man von Geheimnissen sagt. Ich weiß es nur zu gut. Dass sie einen verfolgen und Macht über einen bekommen können. Dass sie Beziehungen vergiften und Familien spalten können. Und dass einen letztendlich nur die Wahrheit erlösen wird. Das mag bei manchen Leuten und manchen Geheimnissen ja stimmen. Aber ich dachte immer, ich wäre eine Ausnahme, und darum habe ich über mein fast zwanzig Jahre altes Geheimnis nie auch nur ein Sterbenswörtchen zu irgendwem gesagt. Nicht mal im Vollrausch zu meinen besten Freundinnen oder in intimen Momenten zu meinem Freund Peter. Mein Vater hatte keine Ahnung davon, und mit meiner Mutter, dem einzigen Menschen, der im entscheidenden Augenblick dabei war, habe ich auch nicht darüber geredet. Es war fast so, als hätten wir ein unausgesprochenes Schweigegelübde abgelegt, als wollten wir uns dazu zwingen loszulassen und nach vorne zu schauen. Vergessen habe ich es nie, nicht für einen einzigen Tag, und doch war ich davon überzeugt, dass das Vergangene eines Tages wirklich vergangen sein würde.
    Ich hätte es besser wissen sollen. Ich hätte mir die Worte zu Herzen nehmen sollen, die vor so langer Zeit, in einer heißen Nacht, alles ausgelöst hatten: Du kannst vor deinen Problemen wegrennen, aber entkommen kannst du ihnen nicht.
    Aber diese Worte, diese Nacht, mein Geheimnis – das alles ist weit weg, als ich eines Abends mit Peter die Bleecker Street entlangschlendere. Wir waren essen im Lupa, einem unserer Lieblingslokale. Der Winter scheint endgültig vorbei zu sein, und die laue Frühlingsluft fühlt sich dank der Flasche Barolo, die Peter bestellt hat, noch ein bisschen wärmer an. Das mag ich an ihm: seinen guten Geschmack und dazu seine Ansicht, das Leben sei zu kurz für gewöhnlichen Wein. Überhaupt für alles Gewöhnliche. Er ist zu freundlich und fleißig, als dass man ihn einen Snob nennen könnte. Er schimpft immer über seine faulen Bekannten, die bloß von ihrem Treuhandvermögen leben und sich »noch nie etwas selbst erarbeitet haben«. Elitär ist er aber trotzdem, weil er in erlesenen Kreisen von Privatschulabsolventen verkehrt. Ich selbst fühle mich nicht unwohl in dieser Welt, habe aber eigentlich nie richtig dazugehört. Erst durch Peter bin ich in diesen Wirbel aus Jet-Sharing, Yachten und Ferienhäusern auf Nantucket und St. Barts hineingeraten.
    Â»Endlich kein Schneematsch mehr auf dem Bürgersteig«, bemerke ich, froh, wieder hohe Absätze und eine leichte Strickjacke tragen zu können – nach Monaten in unförmigen Gummistiefeln und dick auftragenden Wintermänteln.
    Â»Ganz deiner Meinung. Quel soulagement «, murmelt Peter und legt mir einen Arm um die Schultern. Er ist der einzige Mensch, den ich kenne, der einfach so auf Französisch daherreden kann, ohne schrecklich eingebildet rüberzukommen. Als Kind hat er lange in Paris gelebt – seine Mutter, eine Französin, war Laufstegmodel, und sein Vater, ein Amerikaner, Diplomat. Und sogar als er mit zwölf nach Amerika umzog, durfte er zu Hause nur Französisch sprechen. Darum ist sein Französisch genauso tadellos wie seine Umgangsformen.
    Ich lächele und schmiege meine Wange an seine breite Schulter. Er küsst mich auf den Scheitel und fragt: »Und wohin jetzt, Champ?«
    Mit diesem Kosenamen hat er angefangen, nachdem ich ihn bei unserem dritten Date in einer umstrittenen Partie Scrabble besiegt hatte. Danach ging ich aufs Ganze und machte ihn noch einmal fertig, worüber ich mich diebisch freute. Übermütig lachend beging ich dann einen fatalen Fehler: Ich erzählte ihm, dass wir früher unseren Hund, einen blinden, humpelnden Labrador, ironisch »Champ« genannt hatten – und damit hatte ich meinen Namen weg. »Marian« heiße ich seitdem nur noch, wenn wir in Gesellschaft sind oder im Bett oder wenn es, selten genug, zum Streit kommt.
    Â»Nachtisch?«, schlage ich vor, als wir um die Ecke biegen. Wir liebäugeln mit den Cupcakes von Magnolia oder den Cannoli von Rocco, stellen aber fest, dass wir für beides zu satt sind und gehen daher einfach weiter, in angenehmer Stille, an Cafés und Bars und Horden von hochnäsigen Eingeborenen aus dem Village vorbei. Es ist der Wein, dazu noch das schöne Wetter und sein Aftershave – und plötzlich platze ich mit einer Frage heraus: »Sollen wir
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