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Wer sich nicht fügen will

Wer sich nicht fügen will

Titel: Wer sich nicht fügen will
Autoren: Leena Letholainen
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noch genug Schnee zum Skilaufen? Hier im Gebirge gibt es phantastische Loipen. Wie läuft die Arbeit? Grüße an alle. Jyrki.«
    Taskinen hatte sich für ein halbes Jahr beurlauben lassen und war mit seiner Frau nach Kanada geflogen, wo ihre Tochter Silja wohnte. Silja erwartete ihr erstes Kind, Taskinen würde also bald Großvater sein. Ich vermisste ihn tagtäglich, obwohl unser gemeinsames Mittagessen auch vor seiner Abreise oft genug ausgefallen war. Taskinens Frau Terttu war vor zwei Jahren schwer erkrankt, aber die Entfernung der Gebärmutter und zwei weitere Operationen hatten den bösartigen Tumor besiegt. Als feststand, dass Terttu überleben würde, hatte Taskinen ihr versprochen, sich beurlauben zu lassen. Es hatte mehr als ein Jahr gedauert, die Sache durchzuboxen. Da keine Vertretung eingestellt wurde, musste ich in seiner Abwesenheit direkt dem stellvertretenden Polizeichef Kaartamo Bericht erstatten, was weder ihm noch mir angenehm war. Zum Jahresende würde Kaartamo in Pension gehen, und ich war nicht die Einzige, die jetzt schon die Tage zählte.
    Kaartamo war ein Fossil aus der Zeit von Präsident Kekkonen und hatte die Angewohnheit, alles über seine Seilschaften laufen zu lassen. Er hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass er gegen meine Ernennung zur Leiterin des Gewaltdezernats gewesen war. Seiner Meinung nach waren Frauen als Polizeibeamtinnen ganz passabel, solange man ihnen nicht zu viel Macht gab. Bei unserer letzten Auseinandersetzung war es um das Austauschprogramm des NBNP, des skandinavisch-baltischen Polizistinnennetzwerks, gegangen. Thema des Programms waren Prostitution und Gewalt gegen Frauen und Kinder. Kaartamo hielt das Ganze für pure Verschwendung und Weibergewäsch. Nach dem Gespräch war mir klar gewesen, dass Kaartamo Frauen hasste und dass unser Kampf immer noch nicht zu Ende war, obwohl wir uns einbildeten, in einer gleichberechtigten Gesellschaft zu leben, und obwohl es für Frauen leichter war, bei der Polizei zu arbeiten, als noch vor zwanzig Jahren bei meinem Dienstantritt.
    Ich rief Liisa Rasilainen von der Schutzpolizei an. Wir hatten uns im Lauf der Jahre angefreundet und warteten beide auf den Beginn der Fußballsaison, um endlich wieder in der Frauenelf der Espooer Polizei spielen zu können. Ich hatte mehrmals versucht, Liisa vom Streifendienst zur Kripo abzuwerben, doch die abwechslungsreiche Arbeit bei der Schupo gefiel ihr besser.
    »Hallo, Maria!« Liisas Stimme klang dumpf. »Entschuldige, ich hab den Mund voll, Jukka und ich essen gerade Pizza.« Jukka Airaksinen war Liisas Streifenpartner, ein ruhiger Mann, der sich im Gegensatz zu einigen anderen im Präsidium nie daran gestört hatte, dass seine Kollegin lesbisch war.
    »Ihr hattet doch gestern mit der Körperverletzung im Zentrum von Espoo zu tun?«
    Liisa bejahte. »Eine Routinesache, wir sind gleichzeitig mit dem Krankenwagen eingetroffen. Wir konnten das Opfer nicht befragen, weil es sofort abtransportiert wurde. Ich hab den Fall Koivu gemeldet und ihm Tatortfotos geschickt. Die Spurensicherung haben wir nicht angefordert, das schien uns überflüssig, auch wenn das Ganze nicht nach der üblichen familiären Gewalt aussah. Wer ist das Mädchen?«
    »Wissen wir noch nicht.«
    Ich hörte Airaksinens Handy klingeln, und gleich darauf sagte Liisa, sie müssten einen Ladendieb verfolgen. Eigentlich hätte ich den Stundenbericht für die erste Monatshälfte ausfüllen müssen, aber meine Gedanken schweiften zur russischen Sprache ab. In den Ländern, die nach dem Zerfall der Sowjetunion unabhängig geworden waren, bestand Bedarf an einer modernen Polizeiausbildung, dort brauchte man vielleicht eine Ausbilderin mit Russischkenntnissen. Im Herbst war ich eine Woche lang in Köln gewesen, um afghanische Polizisten zu schulen, und diese Arbeit hatte ich trotz der gewaltigen Kulturunterschiede als fruchtbar empfunden. Die Gespräche im Unterricht hatten den Glauben an meine Arbeit gestärkt: Ein unparteiisches Rechtswesen und eine korruptionsfreie Polizei waren Grundpfeiler der Demokratie. Ich sehnte mich nach neuen Herausforderungen, aber an einen längeren Auslandsaufenthalt war aus familiären Gründen wohl doch nicht zu denken. Es war auch so schon schwierig genug, die Kinderbetreuung zu organisieren.
    Die Pressereferentin schickte mir per E-Mail die polizeiliche Mitteilung zum Abzeichnen. »Die Espooer Polizei bittet um sachdienliche Hinweise zur Identifizierung einer Frau, die gestern mit Schnittwunden im
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