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Wer sich nicht fügen will

Wer sich nicht fügen will

Titel: Wer sich nicht fügen will
Autoren: Leena Letholainen
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Psychologen darüber, wann Länsimies die Grenze zwischen normalem Ehrgeiz und gemeingefährlicher Egomanie überschritten hatte. Der populäre Showmaster war zum Monster mutiert, auf das jeder eindreschen konnte.
    Einige der ehemaligen Anhänger von Länsimies hielten jedoch an den politischen Auffassungen ihres Präsidentschaftskandidaten fest: Der Wohlfahrtsstaat sei nicht länger tragbar, und Finnland gerate ins weit- und wirtschaftspolitische Abseits, während sich die baltischen Länder rasant entwickelten. Einer derjenigen, die Länsimies öffentlich verteidigten, war Mauri Hytönen, der durch seinen Auftritt bei den ›Überraschungsgästen‹ in die zweite Promi-Riege aufgestiegen war. Er wollte bei der Parlamentswahl 2007 kandidieren und war gerade dabei, im Wahlkreis Nord-Savo eine Wahlliste der »Echten Finnischen Männer« aufzustellen. Die »EFM« sollte eine antifeministische Partei sein, ein Gegenstück zur feministischen Partei, deren Gründung in Schweden geplant war. Unter anderen Umständen hätte ich die politische Debatte mit Interesse verfolgt, doch sie erinnerte mich an meine eigene Schande, mit der ich lernen musste zu leben.
    Ich war schon mehrfach gewaltsam angegriffen oder bedroht worden, doch keiner dieser Vorfälle hatte mich in meinen Grundfesten erschüttert. Jetzt hatte ich Albträume von Männern, die mich mit Gewalt nehmen wollten. In meinen Träumen war ich in die Krankenschwesterntracht der Frivolen Nachtigall oder in meine eigene Polizeiuniform gekleidet, aber die Männer, die mich zwingen wollten, ihnen gefügig zu sein, hatten keine Gesichter. Von Länsimies träumte ich nicht. Ich ahnte, was Oksana und ihre Schicksalsgefährtinnen empfanden.
    Die Anklage gegen Länsimies würde auf zweifachen Mord, versuchten Mord und Vergewaltigung lauten. Ich war zum Tatzeitpunkt nicht im Dienst gewesen, doch die Tatsache, dass ich gegen Länsimies ermittelt hatte, würde sich strafverschärfend auswirken.
    An einem Nachmittag nach Ostern rief Lasse Nordström an. Taneli war bei seinem Freund zum Spielen, Antti brachte Iida gerade zur Ballettstunde.
    »Lasse hier, hallo. Ich hatte gerade in der Nähe zu tun und würde gern auf eine Tasse Kaffee vorbeikommen. Dabei kann ich dir auch gleich von unserer Karfreitagsoperation erzählen.«
    »Tag.« Vor Überraschung vergaß ich zu fragen, woher er meine Adresse kannte, die ich nur guten Bekannten verriet. »Ja, komm nur, ich koche extrastarken.« Dann nannte ich ihm den Türcode. Ein paar Minuten später stand er vor dem Haus. Durch den Türspion sah ich, dass er einen Strauß weiße Lilien in der Hand hielt. Dennoch war ich sprachlos, als er mir die Blumen überreichte.
    »Hoffentlich bist du wieder in Ordnung«, sagte er, und für einen Augenblick hatte ich den Eindruck, er würde mich umarmen. Doch dann begnügte er sich mit einem Händedruck. Ich führte ihn ins Wohnzimmer, das ich in aller Eile von herumliegendem Spielzeug befreit hatte, und goss den Kaffee ein. Etwas Besseres als Haferkekse konnte ich ihm dazu allerdings nicht anbieten.
    Nordström sah sich eine Weile um, bevor er sprach.
    »Du hast sicher in den Nachrichten gehört, dass die Operation plangemäß in der Nacht zum Karfreitag durchgeführt wurde. Sie war erfolgreich, wir haben unter anderem Mischin geschnappt. Ein harter Brocken, stumm wie ein Stein, aber einige Mädchen haben schon gesungen. Pardon, einige Frauen. Obwohl manche von ihnen wirklich noch Mädchen sind, die jüngsten gerade mal fünfzehn. Zum Kotzen.«
    Er trank einen Schluck Kaffee. Ich hatte meine Tasse zur Hälfte mit Milch aufgefüllt und fand den Kaffee trotzdem stark.
    »Der ist gut! Aber für starke Getränke hattest du ja immer etwas übrig. Erinnerst du dich an die Whiskyfeten beim Studium, wo du Kristian und mich unter den Tisch getrunken hast? Irgendwann müssen wir uns mal zusammensetzen und in Erinnerungen schwelgen.«
    Ich schwieg. Worauf wollte Nordström hinaus?
    »Jevgeni Urmanov ist uns dagegen entwischt. Aber eure Honkanen hat ihn auf Fotos als einen der beiden Männer identifiziert, von denen sie misshandelt wurde. Der Fall ist also auch geklärt.«
    »Ursula hat Anzeige erstattet?«
    »Ja. Sie sagt, sie hätte sich im Mikado umhören wollen und wäre missverstanden worden. Wahrscheinlich hat sich jemand im Beruf geirrt, so wie sie aussieht. Aber immer noch besser, dass sie als Freudenmädchen zusammengeschlagen wurde, wenigstens hat keiner spitzgekriegt, dass sie bei der Polizei arbeitet.«
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