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Wer sich nicht fügen will

Wer sich nicht fügen will

Titel: Wer sich nicht fügen will
Autoren: Leena Letholainen
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wegen Oksana. Mit der Prostitution und ihren Folgeerscheinungen hatten Gewalt- und Rauschgiftdezernat immer wieder zu tun. Im Herbst hatte die Helsinkier Schutzpolizei die Überwachung des Straßenstrichs eingestellt, weil zuvor die meisten Verfahren aus Mangel an Beweisen niedergeschlagen wurden. Viele Freier sahen darüber hinweg, dass sie letztlich das organisierte Verbrechen unterstützten. Bis Iida eingeschlafen war, konnte ich mir die Sendung ruhig anschauen, danach wollte ich die Zweisamkeit mit Antti genießen. Als die fröhliche Erkennungsmelodie einsetzte, drehte ich die Lautstärke herunter. Venjamin sprang auf meinen Schoß und begann zu schnurren.
    Der fünfzigjährige Ilari Länsimies hatte sich schon in vielen Bereichen hervorgetan: in der Politik, in der Wirtschaft, in verschiedenen Medienkonzernen. Am wohlsten fühlte er sich jedoch vor der Kamera. Er hatte Charisma und schnitt bei der Wahl des attraktivsten Mannes, die von manchen Frauenzeitschriften veranstaltet wurden, immer gut ab. Seine Show »Überraschungsgäste« lief seit rund einem Jahr. Der Clou der Sendung bestand darin, dass keiner der Diskussionsteilnehmer im Voraus wusste, wer außer ihm eingeladen war. Länsimies meinte, nur so komme eine spontane Diskussion zustande. Die Teilnehmer wurden nacheinander einzeln ins Studio geführt, und bei jedem Neuankömmling beobachteten die Kameras die Reaktionen der bereits Anwesenden. Je entsetzter sie wirkten, desto besser. Vor einigen Monaten hatte Länsimies den Außenminister, einen General, einen Friedensaktivisten und eine freiwillige Rekrutin über Landminen streiten lassen und es sichtlich genossen, als die Diskussion immer hitziger wurde und die freiwillige Landesverteidigerin den Außenminister als naiven Idioten beschimpfte. Der Medienrummel hatte danach tagelang gedauert.
    »Heute sprechen wir über ein Thema, das uns alle interessiert: Sex. Diesmal geht es allerdings speziell um käufliche Liebe. Viele unter uns empfinden die Kirche als sexualfeindliche Institution, ein Eindruck, den der kürzliche Skandal um die Ehescheidung des Bischofs von Turku noch verstärkt haben dürfte. Was hat die Kirche zur Prostitution zu sagen? Ich begrüße Pastorin Terhi Pihlaja von der Gemeinde Tapiola.«
    Die Pfarrerin war um die dreißig. Ihre schwarze Ponyfrisur und das blasse Gesicht passten gut zu der schwarzen Bluse mit dem weißen Stehkragen, allerdings setzten der grellrote Lippenstift und die großen Ohrringe einen überraschenden Kontrast.
    »Guten Abend. Als Erstes möchte ich klarstellen, dass ich hier weder für die evangelisch-lutherische Kirche Finnlands noch für die Gemeinde Tapiola spreche, sondern einzig und allein meinen persönlichen Standpunkt vertrete.«
    »Und was ist mit dem Standpunkt Gottes?«, frotzelte Länsimies. Terhi Pihlaja wirkte peinlich berührt. Länsimies lachte ganz allein über seinen Witz, denn die Talkshow wurde ohne Studiopublikum aufgezeichnet, um eine intime Atmosphäre zu erzeugen.
    Terhi Pihlaja trat dafür ein, sowohl das Kaufen als auch das Vertreiben von Sex zu kriminalisieren. Sie erklärte, Menschen seien keine Handelsware.
    »Sie setzen sich aber dafür ein, dass Schwule und Lesben kirchlich getraut werden dürfen. Ist das nicht ein Widerspruch?«
    »Wieso?« Es stand der Pastorin ins Gesicht geschrieben, dass sie diese Frage nicht zum ersten Mal hörte. »Ich bin gegen Menschenhandel. Verbindliche Beziehungen schätze ich dagegen sehr.«
    »Sind Sie verheiratet?«, fragte Länsimies. Die Gäste der Talkshow waren darüber informiert, dass sie auch mit Fragen zu ihrem Privatleben rechnen mussten. Einmal hatte Länsimies den durch rassistische Äußerungen bekannt gewordenen Vater des Ministerpräsidenten gefragt, was er dazu gesagt hätte, wenn sein Sohn eine Schwarze geheiratet hätte.
    »Ich habe mich von meinem Lebensgefährten getrennt«, antwortete Terhi Pihlaja, doch Länsimies zeigte schon kein Interesse mehr. Es war Zeit für den nächsten Studiogast.
    »Über unser Thema gibt es vermutlich so viele Meinungen, wie es Männer gibt – oder Frauen. Wie mag die Auffassung der Gesetzeshüter lauten? Das sagt uns nun Kommissar Lasse Nordström, Prostitutionsexperte bei der Zentralkripo.«
    Lasse Nordströms Wege hatten sich gelegentlich mit meinen gekreuzt. Als ich noch studierte, hatte Lasse mit meinem damaligen Freund Kristian Squash gespielt, und vor einigen Jahren hatten wir beide in einer Arbeitsgruppe zur Gewalt in der Familie gesessen. Ich
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