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Wer sich nicht fügen will

Wer sich nicht fügen will

Titel: Wer sich nicht fügen will
Autoren: Leena Letholainen
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haben.«
    Kaartamo ging weiter, offenbar legte er keinen Wert auf eine Antwort. War auch besser so, mir fiel nämlich keine passende Retourkutsche ein.
    Koivu verbrachte den Nachmittag in der Klinik, wo er das Personal und Oksanas Zimmergenossinnen befragte, anschließend gab er mir telefonisch einen Zwischenbericht. Etwas hatte er schon herausgefunden: Die Frau mit dem Gipsbein behauptete, eine halbe Stunde vor Oksanas Verschwinden habe das Telefon geklingelt. Oksana habe abgenommen und einsilbig geantwortet. Dabei habe sie ängstlich ausgesehen.
    »Ein Anruf? Seltsam. Es wusste doch niemand, in welchem Zimmer Oksana lag. Sprich mal mit der Zentrale, ich beantrage Einsicht in die Verbindungsdaten.«
    Oksana war im Erdgeschoss beim Verlassen der Klinik gesehen worden, aber niemand hatte beobachtet, wohin sie danach gegangen war. Auch über ihre Identität erfuhren wir nichts. Ein unbekanntes Mädchen aus dem Nichts, ein Mädchen, das niemand vermisste außer dem Gewaltdezernat der Espooer Polizei. Gab es so etwas?
     
    Auf dem Nachhauseweg ging ich noch einkaufen. Antti hatte die Kinder abgeholt, ein freies Wochenende mit der ganzen Familie lag vor mir, es war wie ein Fest. Iida zeigte stolz eine Schale aus Gips, die sie in der Schule gemacht hatte, und Antti fragte, ob er das Werk nach Vaasa mitnehmen dürfe, um sein Zimmer dort ein wenig gemütlicher zu machen. Wir hatten den ganzen Winter über eine Reise nach Vaasa geplant, doch die Erkrankung von Anttis Vater und dann die Beerdigung hatten alle Pläne durcheinander gebracht. Außerdem war es eine komische Vorstellung, zum eigenen Ehemann auf Besuch zu fahren.
    Nach dem Essen spielten wir Karten. Taneli, der gerade erst die Zahlen erlernt hatte, schlug sich beim Mau-Mau ebenso wacker wie beim schwarzen Peter. Antti holte sich ein Bier, ich nahm ein Glas Rotwein. Kurz nach acht fielen Taneli die Augen zu, und ich trug ihn ins Bett. Als ich zurückkam, guckte Antti die Nachrichten. Es gefiel mir nicht, dass auch Iida vor dem Fernseher saß, wenn jederzeit Bilder von verhungernden Kindern oder zerfetzten Leichen über den Bildschirm flimmern konnten. Zu meiner Erleichterung ging es diesmal jedoch um Unternehmenssanierung.
    »Der Forstmaschinenhersteller Copperwood AG kündigt für seinen Betrieb in Arpikylä Beurlaubungen an. Das Unternehmen beschäftigt dort zurzeit sechsunddreißig Mitarbeiter. Copperwood ist Teil des Konzerns Finnsteel, der in den letzten Jahren vor allem auf dem fernöstlichen Markt Umsatzsteigerungen erzielt hat. Generaldirektor Arto Saarnio, wie begründen Sie die Freistellungen?«
    Sechsunddreißig Beschäftigte, das klang fast harmlos, aber für meine Heimatstadt Arpikylä war es eine ganze Menge. Jarmo, der Mann meiner Schwester Eeva, leitete die PR-Abteilung bei Copperwood. Vielleicht würde auch er seine Stelle verlieren. Der ehemalige Familienbetrieb Copperwood war vor einigen Jahren vom Finnsteel-Konzern aufgekauft worden, und schon damals hatte man mit Kündigungen gerechnet. Die waren jedoch ausgeblieben, woraufhin Jarmo die neuen Besitzer in den höchsten Tönen gelobt hatte. Aber im letzten Herbst hatte Arto Saarnio die Leitung des Konzerns übernommen, ein Mann, der als harter Sanierer bekannt war und bereits zwei Unternehmen der Elektronikbranche so effektiv saniert hatte, dass die Dividenden sich verdoppelten. Von den Arbeitsplätzen war dagegen die Hälfte verschwunden.
    Ich rief bei Eeva an, doch ihre Nummer war besetzt. Offenbar war unsere Mutter mir zuvorgekommen. Also ging ich erst mal mit Iida duschen. Das Einfamilienhaus von Jarmo und Eeva in Joensuu war sicher noch höher mit Schulden belastet als unsere Wohnung im weißen Würfel hier in Espoo. Würde Jarmo dort oben in Nordkarelien überhaupt einen vergleichbaren Job finden? Während ich in den Schlafanzug schlüpfte, dachte ich neidisch an die Generation unserer Eltern, für die ein Studium noch die Garantie auf lebenslange Anstellung bedeutet hatte.
    Antti, der mit Vorlesen an der Reihe war, brachte Iida ins Schlafzimmer. Ich setzte mich wieder vor den Fernseher, diesmal sozusagen aus beruflichem Interesse. In der Talkshow »Überraschungsgäste« von Ilari Länsimies sollte es nämlich diesmal um Prostitution gehen. »Legal oder illegal?«, war die Vorankündigung in der Zeitung überschrieben. Sollte Kauf oder Verkauf von Sex unter Strafe gestellt werden? Oder sollte man im Gegenteil das Betreiben von Bordellen legalisieren?
    Das Thema interessierte mich nicht nur
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