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Wer nicht küsst, der nicht gewinnt: Roman (German Edition)

Wer nicht küsst, der nicht gewinnt: Roman (German Edition)

Titel: Wer nicht küsst, der nicht gewinnt: Roman (German Edition)
Autoren: Karen Clarke
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begleiten?«
    Irritiert schaute ich auf. Phinneas kam aus dem Gebäude geeilt und marschierte direkt auf Rosie zu, die schokoladenbraunen Augen fest auf ihr Dekolleté gerichtet. Er war groß und sah durchaus gut aus, trotz seines Anzugs, der laut Onkel Harry aus Rehleder gefertigt war. Frauen hatte er vermutlich noch nicht viele gesehen, vor allem nicht solche mit so wohlgeformten weiblichen Rundungen. Er wirkte wie ein frisch entlassener Gefängnisinsasse.
    Rosie lebte sofort auf. »Eigentlich ist das hier nicht üblich«, sagte sie freundlich, als wäre er soeben vom Mars hierhergekommen. »Andererseits sehe ich aber auch nicht, was dagegen spricht.«
    Unsere sonderbare kleine Prozession betrat den Zeremonienraum, der üppig mit Orchideen und Bändern geschmückt war. In Glaskugeln flackerten Kerzen, und durch die bunten Fenster fiel die Sonne herein und strahlte uns wie ein Scheinwerfer an.
    Erwartungsvolle Stille trat ein, als die Harfe den Brautmarsch anstimmte.
    Wir schritten den Gang entlang und näherten uns Pete, der in seinem olivgrünen Anzug, die Haare zurückgegelt und die Hände ordentlich hinter dem Rücken gefaltet, durchaus eine gute Figur machte. Krampfhaft versuchte ich, mich an meine Gelübde zu erinnern.
    »Geheiligt sei dein Name«, murmelte ich.
    »Was?« Dad neigte den Kopf.
    Ich hatte sie vergessen.
    »Nicht so trampeln«, flüsterte Dad. »Geh langsam.«
    Als er mich an Pete übergab, war ich ins Keuchen geraten.
    »Hallo«, sagte ich töricht und hob die Hand.
    »Du siehst wunderbar aus«, flüsterte er und ließ den Blick über das Kleid gleiten, das Mum heute Morgen noch mit einem extra Abnäher angepasst hatte. Irgendwie hatte ich über Nacht ein paar Pfunde verloren. »Hast du meine SMS bekommen?«
    Ich nickte knapp. Er hatte mir ein blumiges Gedicht geschickt, das er auf dem Rückweg aus dem Pub, wo er mit Bob und Tom gewesen war, für mich geschrieben hatte. Sowieso schon den Tränen nahe, hatte ich sofort zu heulen angefangen, als ich es bei meiner Heimkehr gelesen hatte. ›I can be your hero, baby, I can kiss away the pain, I will stand by you forever, you can take my breath away. All my love, Pete xxx – Ich will dein Held sein, Baby. Ich nehme den Schmerz von dir. Immer werde ich zu dir stehn. Du raubst den Atem mir. Alles Liebe, Pete xxx.‹
    Erst um drei Uhr morgens, als ich neben der schnarchenden Rosie langsam nüchtern geworden war, hatte ich mich wieder daran erinnert, dass es ein Songtext von Enrique Iglesias war.
    »Erinnerst du dich an deine Gelübde?«, flüsterte ich und scheuchte eine Fliege von meiner Nase weg.
    »Natürlich«, sagte er leise. »Ich habe sie heute Morgen mit Mum geübt.«
    Die Vorstellung gefiel mir nicht besonders. Ich schaute über die Schulter und sah, dass Vivienne ihren Sohn scharf beobachtete. Ein Stück hinter ihr stach burgunderrotes Haar aus der Menge hervor – das Biest Becky Carmichael, die wie eine B-Besetzung mit Sonnenbrille erschienen war.
    Unsanft drückte ich Rosie die Blumen und den Verlobungsring in die Hand, wie wir es vor gefühlt einer Billion Jahre geübt hatten.
    »Warum hat Tante Bissig denn schlechte Laune?«, fragte Petes Neffe, und alle lachten.
    Der Standesbeamte, ein traurig wirkender Mann mit Hakennase, räusperte sich und hob an zu seiner Rede. Seine Stimme wogte sanft auf und ab, fast hypnotisch.
    Meine Augenlider wurden schwer.
    »Sasha?« Pete stieß mich an. Offenbar warteten alle darauf, dass ich etwas sagte. »Bist du so weit?«, wiederholte er eindringlich und zog die Augenbrauen in die Höhe.
    Nein, warte, ich muss noch einmal darüber nachdenken , wollte ich sagen. Stattdessen nickte ich, wandte ihm mein Gesicht zu und verflocht meine Finger mit den seinen. Meine Hand fühlte sich klamm an.
    Pete atmete tief ein, als wollte er vom Zehn-Meter-Brett springen, und ließ seine Augen auf mir ruhen. »Ich, Peter Graham Treadwell, nehme dich, Sasha Enid Clayton, zu meiner rechtmäßig angetrauten Ehefrau, dich zu lieben und zu ehren von diesem Tage an, in guten wie in schlechten Zeiten; in Reichtum wie in Armut, in Krankheit wie in Gesundheit; dich zu lieben und zu ehren, bis dass der Tod uns scheidet.« Nach diesen Worten schluckte Pete, und sein Adamsapfel hüpfte. »Und ich versichere dich meiner ewigen Treue.«
    Ich wartete, dass mein Verstand wieder einsetzte, fühlte mich aber bloß dumpf und distanziert. Pete beugte sich vor und flüsterte: »Du bist dran, mein Schatz.« Mit leuchtenden Augen suchte er
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