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Wer mit Hunden schläft - Roman

Wer mit Hunden schläft - Roman

Titel: Wer mit Hunden schläft - Roman
Autoren: Picus-Verlag
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während ihr die Mutter, gleichzeitig die Rosemarie ausschimpfend, mit einem Wettex die Preiselbeermarmelade aus dem Gesicht wischte. Danach musste die Mutter die Rosemarie noch einmal ausgehfertig machen, allerdings ohne Grüß Gott, mein kleines Fräulein zu ihr zu sagen. Die Rosemarie setzte ihre noch immer eingefrorene Schwester in den Kinderwagen und sie verließen mit der Mutter die Wohnung. Schluckte quasi ihre Wut hinunter, mitsamt der blechern schmeckenden Flüssigkeit, die sich in ihrem Mund gesammelt hatte, von der aufgeplatzten Innenseite ihrer Oberlippe. Zeigte ihre Wut der Mutter zu Fleiß nicht. Weil die Mutter kein Auto und keinen Führerschein je hatte, mussten sie jedes Mal mit dem Bus fahren an den Besuchstagen. Die Rosemarie stand mit verschränkten Armen und gespreizten Beinen neben dem Kinderwagen und drückte abwechselnd ihre herausgestreckte Zunge und die Stirn gegen die Scheibe. Traute sich das nur deshalb, weil sie wusste, dass ihr die Mutter in der Öffentlichkeit des Autobusses nicht ins Gesicht schlagen würde. Die Kleine hatte den Schock des Verlustes ihres erst einmal angebissenen Marmeladebrotes und den Tumult um die Rosemarie noch nicht verkraftet und stöhnte deswegen laut die ganze Zeit. Die Rosemarie hatte beide Hände unter ihr Kleid geschoben und vorne in die Unterhose gesteckt. Kratzte sich zwischen den Beinen, weil die neue Unterhose, für die ihr die Mutter einen Spitzenrand gehäkelt hatte, zwar herzig ausschaute, aber wegen der Spitzen auf der weichen Haut der Schamlippen juckte als wie. Sie schon ganz rot und aufgewetzt deswegen war. Wirst du die Hände da rausnehmen, hat die Mutter zur Rosemarie gesagt und sie an ihren Handgelenken gepackt. Hat sie an den Handgelenken festgehalten, wie es die Mütter tun, wenn sie mit ihren Kindern über die Straße gehen. Die Kinder über die Straße schleifen , weil sie nicht nachkommen mit ihren kurzen Beinen, die Mütter aber über die Straße rennen . Habe ich dir nicht schon hundertmal gesagt, du sollst dir die Hände nicht da unten hineinstecken, hat die Mutter gesagt und die Rosemarie bei ihren Handgelenken und somit den ganzen Körper geschüttelt, dass sich die zusammengezurrten Zöpfe gelockert haben und ihr ein paar Strähnen ins Gesicht gefallen sind, die ihr die Mutter noch während des Schüttelns wieder zurück in die Zöpfe steckte. Die Kleine hatte aufgehört zu stöhnen und mit offenem Mund zugeschaut, wie die Rosemarie geschüttelt wurde. Hat abwechselnd auf die Rosemarie und eine tote Fliege geschaut, die zwischen dem Busfenster und der Gummidichtung eingeklemmt war. Das letzte Stück mussten sie zu Fuß gehen, weil es keine direkte Anbindung an die öffentlichen Verkehrsmittel gab. Bei schönem Wetter war das kein Problem. Der Rosemarie machte der Spaziergang Spaß, im Gegensatz zur Mutter, der jede unnötige Bewegung sinnlos vorkam. Die Erfindung von Personentransportmitteln machte die eigene Fortbewegung sinnlos ihrer Meinung nach. Im Frühling und im Herbst regnete es oft. Da zog die Mutter allen eine Regenpelerine an. Von allen Geschenken musste sich die Rosemarie beim Weltspartag diese Regenpelerine aussuchen. Wurde von ihrer Mutter jedes Mal dazu gezwungen, etwas Sinnvolles zu nehmen. Dabei wünschte sie sich etwas anderes, ein Vier gewinnt zum Beispiel, aber das kam der Mutter sinnlos vor, und sie musste die gelbe Regenpelerine nehmen, denn ein Sparschwein hatte sie schon, was auch sinnvoll war, wenn es nach der Mutter ging. Darum zog die Mutter bei Regen der Rosemarie die Regenpelerine, die sie hasste, mit Gewalt an. Wenn du nicht sofort diese Regenpelerine anziehst, sag ich es dem Vater, oder, na warte, das erzähle ich alles dem Vater, hat sie gesagt. Drohte immer mit dem Vater und dem Von-ihm-zusammengeschimpft-Werden. Dabei machte es der Rosemarie Spaß, im Regen zu gehen und zum Beispiel Regenwürmer zu sammeln. Der Mutter dagegen war es wichtig, dass ihr Kleid und ihr Kopf nicht nass wurden. Dass sie nicht mit den Ballerinahalbschuhen und den weißen Kniestrümpfen im Matsch herumtrampelte.
    »Die Umgestaltung zum kleinen Fräulein hat für die Rosemarie nur Nachteile gehabt, Kreisky. Trotzdem hat sie sich schon auf den Vater gefreut, das hat sie mir jeden Freitag gesagt, die Rosemarie.«
    Die Mutter hatte sich zusätzlich zur Regenpelerine eine durchsichtige Plastikhaube auf die Turmfrisur gesetzt und scheuchte die Rosemarie den Kinderwagen schiebend, der ebenfalls als Ganzes in eine gelbe Regenpelerine
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