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Wer lügt, gewinnt

Wer lügt, gewinnt

Titel: Wer lügt, gewinnt
Autoren: Patrícia Melo
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kamen von den Prügeln, oder willst du mir etwa weismachen, daß dir nie ein Verdacht gekommen ist? Nein. Du Lügner, du wußtest, daß er mich verdrischt. Nein, wirklich nicht. Und als mir der Zahn zerbrochen ist? Was hast du da gedacht? Ich habe geglaubt, was du mir erzählt hast, ein Sturz im Schwimmbad. Du bist der einzige, der das geglaubt hat, nicht mal mein Zahnarzt hat’s geglaubt, der hat diese Lügengeschichte nicht geschluckt. Es reicht, sagte ich. Erst verführst du mich, und jetzt läßt du mich sitzen. Ich lasse dich nicht sitzen, ich sage nur, daß ich kein Mörder bin. Feigling, sagte sie, du Feigling, ich werde ihn alleine umbringen, mach dir keine Sorgen, ich bringe ihn für uns beide um, bleib du nur hier und schreib deine feinen Bücher, deine netten Krimis, du Feigling, ich kriege ihn auch alleine tot. Und peng, knallte sie die Tür zu und ließ mich wie angewurzelt im Wohnzimmer stehen.
    Zu jener Zeit war ich bereits verrückt nach Fúlvia. Wenn wir im Bett lagen, sagte ich, wenn ich in dich eindringe, dann schreit alles in mir, mein Blut, meine Zellen, meine Atome, meine Elektronen: Ich liebe diese Frau. An die anderen Frauen konnte ich mich nicht einmal mehr erinnern. Fúlvia tauchte auf, einer wilden, riesigen Meereswoge gleich, wie man sie im Fernsehen sieht, die alles unter sich begräbt. Ich war nur einfach nicht in der Lage dazu, jemanden umzubringen. Über erstunkene und erlogene Verbrechen zu schreiben war eins; einen Menschen zu töten, den Abzug zu betätigen, das Messer hineinzurammen, ihn zu erwürgen oder was auch immer, das war etwas völlig anderes.
     
    Ich wurde durch eine Megaphonstimme wach. Mandarinen, japanische Mandarinen, süß, honigsüß, hier gibt’s Mandarinen, unsere Mandarinen, die sind schmackhaft, vier Kisten japanische Mandarinen zwei Real, zwei Real die Kiste, Apfelsinen, hier gibt’s Apfelsinen mit dünner Schale, zuckersüße Apfelsinen mit dünner Schale. Eine andere Stimme, die einer Frau, antwortete, ebenfalls über Megaphon, dickschalige Apfelsinen, hier gibt’s faule Apfelsinen, teure Apfelsinen, unsere Apfelsinen sind teuer und sauer, hier gibt’s Japaner, saure Mandarinen, hier gibt’s Obst aus der Hölle.
    Ich erkannte die Frauenstimme, es war meine Mutter. Ich kletterte aus dem Bett, öffnete die Jalousien und sah einen Japaner in einem Kombi mit einem Megaphon in der Hand, süße Baummelonen, rief er, faule Baummelonen, antwortete meine Mutter, gleichfalls mit dem Megaphon in der Hand, aus dem Fenster nebenan. Erstklassige Papayafrüchte, pries er, faule Papayas aus der Hölle, antwortete meine Mutter, süße Orangen, schrie er, wurmstichige Apfelsinen, erwiderte meine Mutter. Einige Anwohner aus der Gegend sahen dem Spektakel aus dem Fenster gelehnt zu und amüsierten sich über das Verhalten meiner Mutter. Ich zog ein T-Shirt über, ging auf den Flur, klopfte an ihre Schlafzimmertür, sie überhörte mich, faule Papayas, schrie sie, faule Papayas vom Japaner, Ich kehrte zu meinem Fenster zurück. Die Nachbarn lachten. Der Händler versuchte, mit seiner Megaphonstimme ein Abkommen zu treffen, liebe Freundin, haben Sie Mitleid, sagte er. Ich bin nicht deine Freundin, du Japse, antwortete meine Mutter.
    Der Händler verstaute sein Megaphon, stieg ins Auto, startete und fuhr davon. Den Nachbarn gefiel’s. Sie klatschten Beifall. Danke, Leute, rief meine Mutter, morgen knöpfe ich mir den Maiskuchenverkäufer vor. Diese fliegenden Händler machen mich ganz verrückt, sagte sie, als sie ihre Schlafzimmertür öffnete; mal ist es Maiskuchen, dann ist es der Topfhändler, dann der Scherenschleifer, dann die Trauben aus Jundiai, ich komme überhaupt nicht mehr zum Beten.
    Ruf bei der Stadtverwaltung an, wenn du dich über die fliegenden Händler beschweren willst, Mutter, sagte ich. Den Teufel werde ich tun, gab sie zurück, ich werde das machen, was sie auch machen. Ich schreie. Gott war derjenige, der mich auf diese Idee gebracht hat. Ich betete gerade und konnte mich wegen des Obstverkäufers nicht konzentrieren, da sprach Gott zu mir und sagte, kauf ein Megaphon und mach’s wie er, erklärte meine Mutter und drückte das Megaphon zärtlich an die Brust.
    Ich duschte, bereitete das Frühstück für meine Mutter. Als ich schon gehen wollte, sah ich Fúlvias Schlüpfer auf dem Sofa. Ich steckte ihn in die Tasche und fuhr direkt ins Institut.

6
    Von: José Guber          An: Wilmer da Silva
     
    Der Spiegel, von Ed Mason
     
    Wilmer,
    ich
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