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Wer liebt mich und wenn nicht warum

Wer liebt mich und wenn nicht warum

Titel: Wer liebt mich und wenn nicht warum
Autoren: Mara Andeck
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auch seine eigenen Flusen mikroskopiert. Muss mich eben ganz nüchtern und emotionslos beobachten. Bin schließlich Profi.)
    12.59 Uhr   Wenn man sich selbst erforschen will, gelten die gleichen Regeln wie für jede andere Forschung. Erst muss man den Ist-Zustand erheben. Dann formuliert man eine Theorie, die diesen Zustand – rein theoretisch – erklären könnte. Und anschließend macht man Experimente und stellt fest, ob die Theorie stimmt. Danach weiß man entweder, warum die Welt ist, wie sie ist, oder man braucht eine neue Theorie.
    Okay. Also los.
    1. Zustandsanalyse von Lilia K. (16) am Freitag, 3. Juni
    Objektiv betrachtet liegt die Testperson im rosa Bikini in der Sonne, schreibt in ihr Tagebuch und futtert Gummibärchen. Ein außenstehender Betrachter könnte daraus schließen, dass es ihr bestens geht.

    Gut eingeweihte Kreise wissen aber: Gerade in diesem Moment beherrschen mehrere Störfaktoren die Gedanken von Lilia K.
    a) Einer davon ist Maiken, ihre Freundin, die neben ihr auf einem rotgetupften Handtuch liegt und sich tot stellt. Maiken tut zwar so, als wäre alles okay, und Lilia K. spielt mit, aber beide wissen genau: Nur ein paar Meter weiter links liegen Dana (16) und Florian (18) im Schatten einer Kastanie und halten Händchen. Im Klartext: Maiken sieht gerade durch die halbgeschlossenen Augenlider dabei zu, wie das Objekt ihrer Begierde, also Florian K. (Anmerkung 2: gleichzeitig der Bruder der Testperson Lilia K.) und eine ihrer Freundinnen (Anmerkung 3: zugleich auch eine der besten Freundinnen von Lilia K.) auf Wolke sieben schweben.
    Da! Jetzt küssen sich die beiden. Maiken seufzt und presst die Augenlider zusammen. Lilia K. hatte also recht und sie ahnt: Sie muss in der nächsten Zeit den Kontakt zu ihrem Bruder und zu ihrer geliebten Freundin Dana auf ein Minimum reduzieren, um Maiken in dieser schwierigen Phase nicht allein zu lassen.
    Nur – wie soll das gehen??? Sie kann den beiden ja keinen Grund nennen, das wäre nicht fair ihrer Freundin Maiken gegenüber. Boah, was für eine Sackgasse! Lilia K. fühlt sich gestresst. (Anmerkung 4: Riecht sie jetzt anders als in entspanntem Zustand? Das sollte in einer späteren Studie geklärt werden!)
    b) Ein weiterer Störfaktor lagert in der Nähe des Volleyballfeldes auf der Freibadwiese. Obwohl Lilia K. den Blick auf ihrTagebuch richtet, weiß sie genau, dass dort ihr Exfreund Jakob mit einer aus der Neunten knutscht.
    Im Prinzip ist ihr das ja total egal. Sie hat schließlich mit Jakob Schluss gemacht. Sie! Er kann also küssen, wen er will. (Anmerkung 5: Das war allerdings erst vorgestern. Und die Maus, der er gerade die Zunge in den Hals steckt, ist gerade mal vierzehn und hört auf den vielsagenden Spitznamen Titti. Das ist total niveaulos und sagt viel über Jakob aus. Aber Lilia K. steht da drüber. Echt!)
    Trotzdem. Ein bisschen leiden könnte dieser Flachpinsel schon, findet sie. Grummel. (Anmerkung 6: Man bemerkt hier einen gewissen Widerspruch in der Argumentationskette und tatsächlich ist Lilia K. in diesem Punkt gespalten. Man kann ihre Haltung wohl so zusammenfassen: Sie regt sich nicht wirklich über das Geknutsche auf, aber es nagt schon ein bisschen an ihr, dass sie anscheinend so leicht ersetzbar ist.)
    c) So. Und jetzt kommen wir zum Hauptstörfaktor: Ein paar Meter weiter Richtung Nichtschwimmerbecken hat ein gewisser Tom B. sein Handtuch ausgebreitet. Allein der Anblick seiner braungebrannten Arme treibt den Puls der Testperson in ungeahnte Höhe. Sie will in diese Arme sinken. Unbedingt. Daraus kann man schließen, dass sie diesem männlichen Wesen nicht gleichgültig gegenübersteht. Und man kann daraus weiter folgern, dass die Testperson sich selbst etwas vormacht, wenn sie behauptet, sich für männliche Wesen nicht mehr zu interessieren und ihr Leben einer wissenschaftlichen Karriere weihen zu wollen. (Anmerkung 7: Wer es seltsam findet, dass Lilia K. erst vor zwei Tagen die Beziehung zu Exfreund Jakobbeendet hat und jetzt Herzrasen beim Anblick von Sandkastenfreund Tom verspürt, liegt richtig: Es ist seltsam. Das findet sogar die Testperson selbst.)
    d) Und nun zu einer noch viel dringenderen Frage: Was ist mit den Gefühlen von Tom B.? Wie steht er zur Testperson?
    Lilia K. weiß es nicht. Sie hat ihn zwar vor drei Tagen erst geküsst und er hat die Augen zugemacht, zurückgeküsst und gar nicht mehr damit aufgehört. Aber danach ist er auf Distanz gegangen und hat um Bedenkzeit gebeten. (Anmerkung 8: Er
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