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Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Titel: Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen
Autoren: Julia Baehr , Christian Boehm
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um den uns viele beneiden. Schon manches legendäre Grillfest nahm auf ihm seinen spektakulären Anfang und fand dort auch ein jähes Ende. Weil Ruhestörung und Polizei und Beschwerden und so weiter. Unsere Wohnung war früher Barnies und meine Wohnung, bis Barnie sich eine andere Bleibe suchen musste, weil Luisa und ich zusammenziehen wollten. Dabei war er es, der sie für mich gefunden hat.
    Ich saß in der Küche und wartete aufs Essen. Aber die Nummern fünfzehn und dreiundvierzig, Frühlingsröllchen und Hühnerfleisch Kung Pao, kamen nicht. Stattdessen stand Barnie in der Tür, im Schlepptau vier beschwipste junge Damen. Barnie sagte etwas, seine Begleiterinnen kicherten, ich seufzte, während ich den Flyer meines Lieblingsasiaten studierte. Aus einer anderen Welt hörte ich Barnie triumphieren: »Wir sind in meinem Zimmer!«
    Als ich eine halbe Ewigkeit später aufstand, um dem lieben Herrn Chang am Telefon meine Meinung zu geigen, lächelte sie mich an. Ich erschrak ob der Dimension dieser unheimlich unerwarteten Begegnung. Wenn es noch eines Beweises für die Existenz der Matrix bedurft hatte, so war er erbracht.
    »Hier steckst du also«, sagte Luisa, als wäre es das Normalste auf der Welt, dass sie jetzt in meiner Küche stand, und machte einen Schritt auf mich zu.
    Ich wollte ihr sagen, dass ich in den vergangenen acht Wochen halb München nach ihr abgesucht hatte und über dieser Suche beinahe den Verstand verloren hätte, dass ich nur mehr an sie denken konnte und alles andere vernachlässigte, dass ich mein Konto überzogen hätte, wenn ich gegen Geld einen Hinweis auf ihre Existenz erhalten hätte. Statt ihr aber all das zu gestehen, nickte ich nur. Und ich grinste dämlich. »Wow!«, verlieh ich immerhin meiner Überraschung Ausdruck.
    »Das ist jetzt Zufall, oder?«, fragte Luisa.
    »Puh«, entgegnete ich und kratzte mich dabei am Hinterkopf. Ich zog ein »Hmmm« länger als nötig in die Länge, um mir so Zeit für eine geniale Antwort zu verschaffen. Eine Antwort, mit der ich Luisas Herz auf einen Schlag erobern wollte. Leider stand die Genialität meiner Antwort in keiner Relation zur Länge des Denkprozesses. »Ich glaube eigentlich nicht an Zufälle!«
    »Dann ist es Schicksal?«
    »Keine Ahnung.«
    Wir schwiegen einen Moment.
    Während dieser Sekunde, in der wir nichts sagten und uns nur in die Augen sahen, habe ich mich verliebt. Spätestens jetzt war klar, dass ich Luisa nicht wieder so einfach gehen lassen würde. Während Barnie sich im Glanz ihrer Freundinnen sonnte, aßen wir Frühlingsrollen und Hühnchen, tranken Reiswein und redeten über Filme, über Musik und über das Leben. Ich hoffte, dass Luisa eines Tages meine Frau werden würde.
    Und jetzt, da es so weit sein könnte, bekomme ich plötzlich kalte Füße. Dabei wäre ich mit fünfunddreißig eigentlich im besten Alter. Ich stehe mit beiden Beinen im Leben, verdiene ausreichend und habe genug von der Welt gesehen. Wovor habe ich Schiss? Es ist doch nur ein kleiner Schritt für mich, kein großer für die Menschheit. Grob geschätzt sind Milliarden Menschen auf diesem Planeten verheiratet. Ich wäre nur einer von vielen.
    Im Bus starrt mich ein Typ an und lacht. Wahrscheinlich lacht er mich aus, weil ich schon wieder zweifle und mich schon wieder beim Rasieren geschnitten habe. Das passiert mir in letzter Zeit häufiger. Ich bin mit meinen Gedanken einfach oft woanders.
    Auf dem Weg in die Arbeit lasse ich die morgendliche Stadt an mir vorbeiziehen. Ich denke schon jetzt an den Feierabend. Auf RTL kommen neue Folgen von Alarm für Cobra 11 , aber Luisa hat Karten für eine Lesung. Das letzte Mal, als mich meine kunstbesessene Freundin auf so eine Lesung mitgeschleppt hat, bin ich eingeschlafen. Vielleicht lag das aber auch an der Vortragsart des Autors. Und seiner wenig mitreißenden Lesetechnik. Das Buch selbst mochte ich ganz gern. Ein älterer Herr verliebt sich in eine Studentin, lässt alles stehen und liegen und brennt mit ihr durch.
    Luisa
    Wie spät ist es? 8.24 Uhr, behauptet mein Handy. Ich habe verschlafen! Der Schreck verleiht meinem Hechtsprung aus dem Bett etwas Fabian-Hambüchen-Mäßiges. Mal abgesehen von der Tatsache, dass Fabian Hambüchen a) ein Mann ist, b) sogar im Fernsehen kleiner als ich aussieht und c) wahrscheinlich meine Oberarme mühelos zwischen seinen Fäusten zermalmen könnte. Heute Morgen bin ich Fabian Hambüchen in weiblich, schlaksig und schwächlich. Ich renne in den Flur, überspringe die
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