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Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Titel: Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen
Autoren: Julia Baehr , Christian Boehm
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fetten Klunker.
    Luisa ist geradlinig und unkapriziös. Ihre Lieblingsfarben sind Schwarz und Weiß, was sich auch in ihrem Kleiderschrank widerspiegelt. Wäre sie eine Immobilie, wäre sie bestimmt keine Barockkirche, sondern eher Bauhaus. Als Stadt wäre sie nichts Mittelalterliches, eher Tel Aviv. Hochzeitsreise nach Tel Aviv hätte was. Bloß nicht auf die Malediven. Typisch ich: Ich weiß noch gar nicht, in welcher Form es mit uns weitergeht, und trotzdem denke ich schon über unsere Hochzeitsreise nach.
    Luisa
    Als ich nach Hause komme, schläft Mark schon. An der Wohnungstür höre ich ihn bereits leise sägen. In einer Ecke der Küche stehen leere Bierflaschen – Barnie was here, eindeutig. Ich ertrage Barnie eigentlich nur, weil er uns damals zusammengebracht hat. Seine superverständnisvolle Psychotherapeutenmasche, mit der er nun in meinem Freundeskreis wildert, geht mir auf den Geist. Aber sie wirkt offenbar. Die Frauen sind nach zwei Stunden Auge in Auge mit seinem Hundeblick der festen Überzeugung, den einfühlsamsten und tiefsinnigsten Mann der Stadt gefunden zu haben. Bald darauf merken sie, dass dieses Wunder an Sensibilität einfach nur mit ihnen ins Bett wollte und nicht mal auf den Gedanken kommen würde, ein paar Tage später anzurufen und über Gefühle zu sprechen. Ich verpasse einer der Bierflaschen einen kleinen Tritt. Es klirrt und scheppert.
    Mark hört den Lärm offenbar nebenan im Schlaf, dreht sich auf den Rücken und legt jetzt erst richtig los. Dieser Mann schnarcht wie ein Holzfäller und produziert an Fußballabenden kubikmeterweise Altglas, und trotzdem würde ich ihn sofort heiraten. Wenn er mich denn fragen würde. Er ist klug, witzig und verlässlich. Für Freunde mit Liebeskummer, zu früh aus dem Nest gefallene Vögel und mich ist er immer da. Seine Augen sehen aus wie Schokoglasur, und nach Horrortagen kann man sich wunderbar an die Heldenbrust zwischen seinen breiten Schultern werfen. Meine Mutter ist begeistert von ihm, nur mein Vater kann ihn, glaube ich, nicht besonders leiden.
    Mein Vater ist der beste Vater der Welt, aber er hat einen leichten Hang zu Machtdemonstrationen und, nun ja, Gewaltandrohungen gegenüber meinem Lebensgefährten. Er hat natürlich noch nie eine davon umgesetzt, aber sie wirken für Fremde recht überzeugend. So hat er früher schon einige in die Flucht geschlagen – aber Mark lässt sich nicht mal davon aus der Ruhe bringen. Wahrscheinlich findet meine Mutter ihn deshalb so toll. Wenn ich mich bei ihr über mein antragloses Leben beklage, setzt sie zu Vorträgen darüber an, dass eine Frau einen Mann niemals unter Druck setzen sollte. »Sonst rennt der am Ende noch davon! Und dann stehst du alleine da.«
    Müde bin ich noch nicht. Ich fange an, meinen Koffer für Sylt zu packen. Was zieht man eigentlich an für den dritten Kurztrip, auf dem man vergebens auf eine bestimmte Frage hofft? Ich habe die ganzen schlichten Sachen mit edlem Touch schon bei unseren verlängerten Wochenenden in Paris und London angehabt. Diese Art von Kleid, die unglaublich Eindruck schindet, bei der man aber doch noch mit dem Satz »Ach, das habe ich nur schnell übergeworfen« durchkommt. Jetzt also Sylt. Da ist sowieso eher Outdoorkleidung angesagt. Ich greife nach den Regensachen. Hoffentlich hat Mark nicht mitten in einem Unwetter einen seiner typischen Anfälle von Spontaneität und steckt mir einen Ring an, während ich diese ungemein praktische Schöffel-Jacke trage, in der ich aussehe wie ein blauer Elefant. Das würde zu ihm passen.
    Als er das erste Mal »Ich liebe dich« zu mir sagte, räumten wir gerade mit Freunden nach einer Party meine Küche auf. Ich hielt in der linken Hand eine Bierflasche, die als Aschenbecher benutzt worden war, und in der rechten Hand eine Schale mit den traurigen Überbleibseln eines Nudelsalats, und er raunte mir, während er seine Arme um mich schlang, die drei Worte von hinten ins Ohr. So dezent und leise, dass es wahrscheinlich auch die Nachbarn gehört haben. Meine Freunde erfuhren also im gleichen Moment wie ich, dass es etwas Ernstes mit uns war. Was für ein intimer Moment, mit heftig angetrunkenen Menschen um uns herum, die neugierig auf meine Reaktion warteten. Nur eine großformatige Anzeige in der Zeitung, eine Radiodurchsage oder ein Flugzeug mit Banner hätten mich noch verlegener gemacht. Vielleicht sollte ich für Sylt auch Baldrian einpacken, damit ich Mark im Notfall sedieren kann, wenn er wieder auf solche Ideen
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