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Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Titel: Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen
Autoren: Julia Baehr , Christian Boehm
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Arena«, stelle ich trocken fest.
    »Na und? Wenn’s hilft!«
    »Nein, danke. Das findet nur Mark romantisch. Mir wäre eher nach Strand, steifer Brise, tosendem Meer. Deshalb habe ich doch diesen Kurzurlaub auf Sylt gebucht. Aber bestimmt kneift Mark wieder.«
    »Das glaube ich nicht«, sagt Marie, die offenbar plötzlich aus ihrem Herzschmerzkoma erwacht ist. »Sein Arschlochfreund jedenfalls – du weißt schon wer –, hat mir damals erzählt, dass Mark glaubt, du verlässt ihn, wenn er dir nicht vor deinem einunddreißigsten Geburtstag einen Antrag macht. Du hättest mal gesagt, du wolltest mit dreißig heiraten, und wenn das nicht klappen würde, würdest du alleine nach Neuseeland auswandern und für den Rest deines Lebens als Single Schafe züchten.«
    »Wie lustig. Das habe ich gesagt? Und er hat das geglaubt? Ich muss völlig betrunken gewesen sein.«
    »Du warst auf Krawall gebürstet und dachtest, du hättest nichts zu verlieren«, erinnert sich Anna und nippt an ihrem Aperol Spritz. »Das war ein lustiger Abend! Aber du würdest ihn nicht wirklich verlassen, wenn er dich nicht fragt. Oder?«
    »Nein. Ich weiß nicht. Ich will irgendwann Kinder. Und wenn er mich nicht mal heiratet, will er sicher schon gar nicht mit mir schreiende kleine Bratzen produzieren.«
    »Ich will auch Kinder«, sagt Marie und verfällt sofort wieder in ihre Schweigestarre. Verena streichelt ihren Bauch. Sie sieht aus wie ein Walross, aber wie ein sehr glückliches Walross mit echt schöner Haut. Beneidenswert.
    Mark
    In zehn Minuten beginnt das Spiel. Ich sitze mit Barnie vor dem Fernseher und grüble. Nicht, wer in der Abwehr spielt. Nicht, ob ich Bier oder Wein trinken soll. Schon gar nicht, ob ein knapper Sieg für das Rückspiel in Barcelona reichen würde. Ich denke über wichtigere Dinge nach. Dinge, die größer sind als ich, ja, größer noch als Fußballgötter. Dinge von enormer Wichtigkeit also. Mit Barnie sollte ich das alles nicht besprechen. Nicht nur, weil ich seine Sicht der Dinge bereits kenne. »Hey, Barnie«, beginne ich trotzdem.
    »Hm«, brummelt Barnie, während er mit einem verklärten Blick in den Fernseher starrt.
    »Ich würde dich gerne mal was fragen.«
    »Was?« Die Mannschaften betreten den Rasen. Ich zögere. Barnie greift zur Chipstüte. »Ein Bier würde jetzt nicht schaden.«
    Gehorsam stehe ich auf.
    »Ein Bier«, gebe ich in der Küche die Bestellung auf, bekomme aber weder eine Antwort noch eine gekühlte Flasche von einem mechanischen Arm gereicht. Mein Kühlschrank ist ein fürchterlicher Stoffel. Keiner, mit dem man nachts zwischen Toilettengang und Fressattacke noch schnell dringende philosophische Probleme besprechen könnte. Mein Bosch ist ein ziemlicher Armleuchter. Wahrscheinlich lässt er bei geschlossener Tür sogar das Licht an, weil er sich sonst fürchtet. So wie ich. Nur dass ich mich nicht vor der Dunkelheit fürchte, sondern vor dem Wochenende.
    Es ist meine letzte Chance. Spätestens Sonntagabend muss der Antrag raus sein, sonst starte ich als Single in die neue Woche. Ist doch super , würde Barnie sagen. Aber Barnie hat gut reden. Er ist emotional gesehen ein Wrack. Liebe ist für ihn nicht bloß ein Fremdwort. Liebe klingt in seinen Ohren nach einem klingonischen Dialekt. Mit ihm über Liebe zu reden, ist wie mit Luisa über Fußball fachzusimpeln. Es führt zu nichts.
    Ich weiß noch gut, wie das mit Luisa und mir anfing. Es war der Abend vor meinem dreiunddreißigsten Geburtstag. Barnie rief an und fragte, ob ich noch Lust hätte, nach der Arbeit ein bisschen um die Häuser zu ziehen, in irgendeinen Club zu gehen. Ich kam gerade aus dem OP. »Nichts lieber als das«, lautete mein spontanes Ja-Wort.
    Ich war seit sieben Monaten, drei Wochen, vier Tagen und zwei Stunden Single. Meine große Liebe hatte sich in einen Hamburger Schnösel verliebt. Das müsse ich doch verstehen, hatte Franziska geschimpft. »Mensch, Mark, reiß dich mal zusammen«, waren ihre Abschiedsworte. Zwei Jahre beendete sie in zwei Sekunden. Kurz und schmerzvoll. Seitdem bin ich ein sehr vorsichtiger Mensch, was Beziehungen betrifft. Der Mensch lernt aus seinen Fehlern. Und Franziska war der größte Fehler meines Lebens, wenn man mal von den zehntausend Euro für Telekom-Aktien absieht.
    Und dann fand ich Luisa. Ich liebe Luisa. Ich liebe sie so sehr, dass ich nie die richtigen Worte finde, um meine Gefühle für sie zu beschreiben. Entweder weil diese Worte noch nicht erfunden wurden oder weil ich
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