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Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Titel: Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)
Autoren: Maximo Duncker
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Zeug, von dem man auf den ersten Blick nicht sagen konnte, welchen Zweck es erfüllte, ob es zur Unterhaltung, Kommunikation oder Arbeit ersonnen und gebaut worden war. Oder zur Selbstverteidigung.
    In den Seitenstraßen rund um die Uferpromenade dagegen gediehen die Feinkost-und Weinläden prächtig, gab es Spezialisten für Olivenöle und französische Essige, für luftgetrocknete Schinken und handgeschleuderten Honig, Espressomaschinen-, Schuh-und Hutboutiquen, Kunst-und persische Teppichgalerien, sowie lichtdurchflutete Praxen für traditionelle chinesische Medizin und Akupunktur, die nach den altehrwürdigen Prinzipien des Feng Shui eingerichtet waren. Wo sich demzufolge nicht selten in voluminösen Aquarien muntere Schwärme schwarz-orange gescheckter Kois tummelten, um das Chi des Raumes zu stärken.
    Noch bevor van Harm an diesem lausigen Wintermorgen etwas Konkretes erkannt hatte, war ihm klar, dass etwas Außergewöhnliches geschehen sein musste, etwas jenseits der alltäglichen Ordnung. Es lag in der Luft.
    Eine Ahnung, die sich aus den kleinen Unregelmäßigkeiten speiste, die er unbewusst wahrnahm, und das, obwohl er eigentlich nicht wusste, wie die unwirtliche Straße um diese Uhrzeit gewöhnlich aussah. Es waren Fetzen von Klängen, die nicht hierhergehörten, nicht zu dieser Zeit und auch zu keiner anderen. Gerüche möglicherweise, etwas Diffuses. Eine falsche Stimmung. Genau: Das Flair stimmte nicht.
    Und dann die vielen Menschen, die trotz der sibirischen Kälte auf den Balkonen standen oder in den geöffneten Fenstern ihrer Wohnungen lehnten. Von denen manche beleuchtet waren, andere im Dunkeln lagen. Einige Leute rauchten Zigaretten, manche froren ganz offensichtlich unter den zu dünnen Morgen-und Bademänteln, unter den geblümten Tagesdecken, die sie sich flüchtig übergeworfen hatten. Aber allesamt blickten sie in dieselbe Richtung, und es war exakt jene Richtung, in die auch van Harm wollte. Es war die Richtung, in der vielleicht achthundert Meter weiter das Bürohaus lag, in deren zweiter Etage sich die Kulturredaktion mit seinem Schreibtisch befand.
    Kai van Harm blieb, vom Instinkt geleitet, stehen. Und erst jetzt nahm er ihn bewusst wahr, obwohl er ihn eigentlich längst schon gesehen hatte: den Widerschein von Blaulicht, der rhythmisch über die angrenzenden Fassaden huschte, die Häuser und ihre neugierigen Bewohner sekundenlang aus der Dunkelheit riss. Es war nicht nur ein Blaulicht, es waren viele, Dutzende. Und erst jetzt hörte van Harm auch das Gemurmel der Zuschauer in den Fenstern und auf den Balkonen, er hörte Motoren schwerer Fahrzeuge im Leerlauf dröhnen, und er hörte mindestens zwei verschiedene megafonverzerrte Stimmen in abgehackten Sätzen harsche Anweisungen rufen.
    Und endlich drang auch dieses fremde, stechende Aroma in sein Bewusstsein vor. Er brauchte nicht lange in seiner Erinnerung zu suchen, er hatte fast augenblicklich einen Moment parat, in dem dieses Aroma gleichfalls vorkam, wenn auch wesentlich schwächer konzentriert. So ähnlich hatte es gerochen, als sich kurz vor Weihnachten mit einem kurzen Knacken und einer anschließenden kleinen Stichflamme das Netzteil ihres Plasma-Fernsehers verabschiedet hatte.
    So roch es, wenn elektronische Bauteile verschmorten, wenn Plastik schmolz, wenn synthetische Gardinen Feuer fingen oder wenn man sich die Haare am Adventskranz versengte. Deshalb also hielten sich viele der Neugierigen Taschentücher oder die Ärmel ihrer Nachtkleidung vor die Nasen. Nur die hartgesottenen Raucher schienen sich an dem infernalischen Gestank nicht zu stören.
    Auch van Harm zog jetzt seinen Schal aus schwarzer Thai-Seide vor Nase und Mund, bevor er weiterging, vorsichtig zunächst, aber ihm schien, als sei die Situation bereits unter Kontrolle gebracht worden. Er versuchte, so wenig wie möglich einzuatmen.
    Van Harm brauchte nur wenige Schritte weiterzugehen, um festzustellen, dass die drei Löschfahrzeuge der Feuerwehr genau vor dem Redaktionshaus standen. Er stockte für einen Moment, trat dann aber umso entschiedener voran und brach energisch die erste Reihe blöd glotzender, Rucksäcke und Plastiktüten tragender Passanten auf, die allesamt den Weg zur Arbeit unterbrochen hatten, um sich das kostenlose Spektakel nicht entgehen zu lassen.
    Vor den Gaffern, zum Schutz von Feuerwehren und Rettungswagen, hatten acht Funkstreifenwagen der Polizei, die quer über die vier Spuren der Fahrbahn standen, eine Barriere gebildet, zu der sich
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