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Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Titel: Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)
Autoren: Maximo Duncker
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van Harm nun durchzwängte. Aus den offenen Fahrertüren drang das Knacken und Knarzen des Funkverkehrs. Der gesamte Platz vor dem Redaktionshaus war in eisig zuckendes Blaulicht getaucht.
    Die Rucksackträger murrten zwar, als van Harm sich drängelnd zwischen sie schob, aber sie ließen ihn passieren. Erst die Motorhaube eines 5er Polizei— BMW s zwang ihn, stehen zu bleiben. Von hier hatte er zumindest freie Sicht.
    Der Anblick aber, der sich ihm nun unverstellt auf das Ereignis bot, auf das Ergebnis dessen, was immer dort passiert war, ließ ihn ohne Vorwarnung, hektisch, pumpend wie unter Atemnot, nach Luft ringen. Er fühlte sein Herz in der Brust härter schlagen als sonst. Er musste die Aktentasche auf die Motorhaube legen, musste sich mit den Händen dort abstützen, den Kopf senken, die Augen schließen.
    »Geht’s?« Bevor er wieder aufsah, dorthin wo er eben jenes Unfassbare erkannt hatte, warf er einen kurzen Blick auf die junge Polizistin, die ihn sanft am Unterarm berührt hatte.
    »Da oben …«
    »Ja?« Sie war hübsch, hatte Sommersprossen und sah ihn fragend an.
    »Das war …«
    »Ja? Was denn? Sprechen Sie ruhig! Reden Sie mit mir!«
    »Das war mein Büro.«
    »Ach Gott. Kommen Sie!«
    »Genau dort, wo jetzt …«
    »Schon gut, ich verstehe. Kommen Sie!«
    Wo jetzt statt des Panoramafensters im zweiten Stock, aus dem van Harm immer dann auf das Treiben der Straße gesehen hatte, wenn er sich nicht mehr auf seinen Bildschirm konzentrieren konnte oder bevor er einen besonders verzwickten Gedanken entwickeln und anschließend formulieren wollte, nur noch ein hässliches, asymmetrisches Loch klaffte. Genau dort war sein Büro gewesen.
    Ein Loch, eher noch ein Riss über die gesamte Raumhöhe von zweieinhalb Metern hinweg. Vier, fünf, vielleicht sogar sechs Meter breit. Mit ausgefransten, nach außen gebogenen Rändern, die aus der geborstenen, verformten, rußschwarzen Aluminiumverkleidung der Fassade bestanden.
    Flammen waren nicht mehr zu sehen, stattdessen drang dichter schwarzer Rauch aus dem gesprengten Raum, der noch gestern van Harms Arbeitsplatz gewesen war. Nicht mehr als eine Ahnung von Dreck, Schlamm und Chaos ließ sich im Schein des Lichtes erkennen, das ein paar Feuerwehrmänner, Atemmasken vor den Gesichtern, Sauerstoffflaschen auf die Rücken geschnallt, verbreiteten. Ein Voraustrupp, der sich vorsichtig tastend durch die verheerte Etage bewegte.
    Im Licht von Straßenlaternen und Rettungsfahrzeugen nahm van Harm jetzt auch die filigranen Rußteile wahr, die trotz ihrer zum Teil enormen Größe federleicht durch die Luft schwebten und deren Anblick eine morbide Poesie verströmte. Die ganze Luft war erfüllt von ihnen. Schwärme von Rußvögelchen, die gen Süden zogen.
    Wie ein alter verwirrter Mann kam sich van Harm vor, als ihm die Polizistin seine Aktentasche reichte, ihn vorsichtig am Ellbogen fasste und dann zwischen den Funkstreifenwagen hindurch zu einer Gruppe Männer lotste, die aus zwei Polizisten, zwei Feuerwehrleuten und zwei zivilen Personen bestand. Allesamt hatten sie Funksprechgeräte oder Mobiltelefone in den behandschuhten Händen, und schon an den knöchellangen Mänteln der beiden Zivilisten, die seinem eigenen Mantel ähnlich waren, erkannte van Harm die Chefs. Jene, die wichtig waren, weil sie das Handeln koordinierten und Entscheidungen trafen. Und die sehr wohl um ihre Bedeutsamkeit wussten.
    Deswegen vermutlich fühlte er sich ein wenig wie ein Bittsteller, als ihn die Polizistin an den einen ihrer beiden Vorgesetzten, den Einsatzleiter, wie er annahm, übergab, bevor sie sich mit einem aufmunternd gemeinten Zwinkern zur Funkstreifenkette zurückbegab, an der sich die von Minute zu Minute anschwellende Menge Neugieriger staute.
    »Und wer sind Sie jetzt nochmal?« Das mehr geknurrt als gefragt.
    »Kai van Harm.«
    »Ja? Und weiter? Ich hab hier nämlich zu tun, wie Sie vielleicht sehen.« Sarkastische, ausholende Armbewegung übers ruinierte Bürogebäude hinweg.
    Es hätte Kai van Harm im Grunde auch gewundert, wenn eine der oberen Polizeichargen gebildeter gewesen wäre als das ordinäre Fußvolk, das Falschparker abschleppte und am Wochenende Demonstranten verprügelte. Und wenn dieser Vorgesetzte womöglich seinen Namen und seine Glossen, Kolumnen und Rezensionen gekannt hätte. Bestenfalls sogar die von ihm besprochenen Bücher oder CDs.
    Aber Polizisten waren alle aus demselben Holz, lasen die Gossenjournaille und schunkelten ab Mitte vierzig auf dem
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