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Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)

Titel: Wer hier stirbt, ist wirklich tot: Ein Provinzkrimi (German Edition)
Autoren: Maximo Duncker
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heimischen Cordsofa zu Volksmusiksendungen, die dauergewellte Gattin im Arm, die leicht angeschickert war von zwei Schalen halbtrockenem Supermarktsekt aus dem Angebot. Wenn einer von denen höher in der Hierarchie stand, dann nicht, weil er klüger oder begabter war als die anderen, geschweige denn kulturvoller, sondern nur beharrlicher. Im Radfahren, wie es im Volksmund so schön hieß: nach unten treten, nach oben buckeln. Natürlich gab es selbst bei denen ein paar Nette, wie die junge Blonde von eben, aber im Allgemeinen …
    »Na was denn nun? Sind Sie von der Presse, oder wie?«
    »Ja, klar. Das heißt: nein. Nicht direkt. Nicht wie Sie jetzt wahrscheinlich denken«, stotterte van Harm.
    »Machen Sie mich nicht fertig, Mann!« Der Einsatzleiter begann, eine Nummer in sein Handy zu tippen. War vielleicht Anfang sechzig, gepflegter Schnäuzer, weiße Schläfen. Etwas aus der Mode gekommene Pilotenbrille mit leicht getönten Gläsern, die ihm etwas Halbweltliches verlieh.
    »Ich bitte um Verzeihung. Was ich damit sagen wollte: Ich arbeite dort. Das heißt … Das da oben war mein Büro.«
    »Tatsächlich. Nun, Sie sehen ja selbst.« Er ließ von seinem Handy ab. »Viel mehr als wir von hier unten sehen können, wissen wir bis jetzt auch nicht. Aber eines kann ich Ihnen versichern, die Detonation muss unglaublich gewesen sein.« Er deutete auf das vierstöckige Wohnhaus, das gegenüber dem Redaktionshaus lag. Und erst jetzt fiel van Harm auf, dass dort niemand heraussah. Denn dort gab es keine Fenster mehr, nur noch geborstene Scheiben in geschlossenen Rahmen. Einige Fenster waren vollkommen entglast, genauso wie viele der PKWs, die an den Straßenrändern zwischen den beiden Gebäuden parkten.
    Und van Harm erkannte jetzt auch die evakuierten Menschen, die in Rettungsdecken gehüllt auf dem Gehsteig warteten, dass jemand weitere Anweisung gab. Es waren circa dreißig, vielleicht fünfzig. Viele hielten Becher mit dampfendem Tee in den Händen, einige rauchten. Alle wirkten sie müde, wie eben aus einem idyllischen Traum gerissen, aus dem Tiefschlaf, schockiert. Kleinkinder klammerten sich an die Beine ihrer Eltern, schluchzten oder starrten mit aufgerissenen Augen auf all die bunten flackernden Lichter, auf die Uniformen der Männer und Frauen, die so forsch hin und her eilten, als wüssten sie, was getan werden musste.
    Van Harm sah Sanitäter erschöpft an ihren Rettungswagen lehnen, er sah Tragen, Aluminiumkoffer, Infusionsbestecke, er sah Ärzte Spritzen aufziehen, Blutdruck messen, den Puls fühlen, und er bemerkte, dass der Straßenasphalt mit Tausenden funkelnder Glassplitter bedeckt war, zwischen denen kleine, formlose, schwarz verkohlte Teile lagen, zu denen die Explosion vermutlich das Redaktionsinventar zerrieben hatte.
    »Meinen Sie, dass …?« Van Harm wusste selbst nicht genau, was er fragen wollte, aber sah sich irgendwie verpflichtet, mit dem Einsatzleiter zu sprechen.
    »Dass es ein Unfall war?«
    »Ja genau. Zum Beispiel.«
    »Oder wollten Sie nach einem Motiv fragen, einem politischen etwa?«
    »Wie? Was jetzt? Denken Sie wirklich … Ich meine, hielten Sie das tatsächlich für eine realistische Möglichkeit?«
    »Alles Reden zu diesem Zeitpunkt ist nichts weiter als pure Spekulation.« Der Einsatzleiter wirkte im Vergleich zu eben besänftigt, vermutlich, weil sich van Harm nicht als einer der nervtötenden Sensationsreporter herausgestellt hatte. Die waren mittlerweile auch aufgetaucht und lieferten sich, Kameras und Mikrofone im Anschlag, verbale Scharmützel mit den Polizisten, die sie an der Funkwagensperre im Moment noch am weiteren Vordringen hinderten. »Ich lese Ihre Zeitung zwar nicht, jedenfalls nicht regelmäßig, aber sie hat – wie soll ich es ausdrücken – einen Ruf. Einen gewissen Ruf.«
    »Wie meinen Sie das denn?«
    »Ihre politische Ausrichtung, die Tendenz der Kommentare, Sie wissen schon.«
    »Wir sind dem freiheitlich liberalen Credo unserer Gründerväter und -mütter verpflichtet«, sagte van Harm mit leicht bebender Stimme und kam sich dabei vor wie die Sockenpuppe eines Bauchredners.
    »So sehen Sie das. So müssen Sie das vielleicht sogar sehen. Andere sagen aber anderes. Glauben Sie mir!«
    »Ja, was genau sagen die anderen denn?« Van Harm sah sich gezwungen, seinen Körper zu straffen, da sein Gegenüber ihn ohnehin um einen Kopf überragte.
    »Dass Ihre so genannte Zeitung ein reaktionäres Drecksblatt ist, zum Beispiel.«
    Van Harm drehte sich ruckartig um,
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