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Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Titel: Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann
Autoren: Lilian Thoma
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wusste, war sich sicher, Matthias so tief verletzt zu haben, dass er sie verlassen würde. Doch damit lag sie völlig falsch.
    »Ich hab auch was zu beichten«, sagte er zu Beginn ihrer Aussprache. »Wir sind jetzt quitt …«
    … dank einer Kollegin aus ihrer Praxisgemeinschaft, wie Matthias weiter gestand. Mit der hatte er sich monatelang an den Abenden getroffen, an denen er angeblich die Selbsthilfegruppe für chronische Darmkranke betreute. Den Patienten stand Matthias zwar wirklich zur Verfügung, doch traf sich die Gruppe weitaus seltener, als er es vorgegeben hatte.
    Cosima war außer sich: Ihr Mann hatte sie ohne Schuldgefühle monatelang mit einer gemeinsamen Kollegin betrogen. Und ihr obendrein auch noch ein schlechtes Gewissen gemacht. Und das nannte er dann »quitt«.
    Fassungslos über Matthias’ Verhalten, der ihr auf einmal völlig fremd war, stellte sie ihm seine Koffer vor die Tür und wechselte das Türschloss aus.
    Nicht weniger turbulent ging es in Anouks Leben zu: Die kleine Stella war alles andere als entspannt. Sie schrie viel und wollte alle zwei Stunden gestillt werden. Tim, der mit seiner Liebe zur Ordnung eine Tagesstruktur etablieren wollte, die mit einem Baby nicht umzusetzen war, strapazierte Anouks Nervenkostüm zusätzlich.
    Irgendwann platzte Anouk der Kragen. Sie hielt Tim eine Studie unter die Nase, die belegte, dass einmal Stillen so viele Kalorien verbrannte wie ein Tausendmeterlauf.
    »Und jetzt stell dir mal vor, du müsstest Tag und Nacht, ohne freie Tage, alle zwei Stunden eine Runde im Stadion sprinten, hättest danach keine Zeit zu duschen oder dir eine Kaffeepause zu gönnen, weil du die nächste Spül- und Waschmaschine ausräumen, gleichzeitig die nächste Mahlzeit für fünf Personen zubereiten, dich nebenher um drei Kinder kümmern und parallel noch Geld verdienen müsstest«, versuchte Anouk ihrem Freund ihre aktuelle Situation zu verdeutlichen.
    Tim, der Anouks Vergleich für übertrieben hielt, zuckte mit den Schultern und sagte: »Es ist alles eine Frage der Organisation und des Timings.«
    Um ihm zu zeigen, wie überheblich und realitätsfern seine Antwort war, beschloss Anouk, einen Tag lang das Weite zu suchen und Tim eins zu eins erleben zu lassen, wie es ihr momentan erging.
    An einem Samstag, an dem alle drei Kinder zu Hause waren und ihr Laden bis abends geöffnet war, erfand sie einen beruflichen Termin, zu dem sie das Baby unmöglich mitnehmen konnte. Mit mehreren Beuteln abgepumpter Milch überließ sie Stella der Obhut ihres Vater, während sie selbst keineswegs früh morgens aufs Land, sondern in den Technoclub Berghain fuhr. Dort bestellte sie sich Prosecco zum Wachwerden und tanzte mit den Techno-Freaks den Tag durch. Dabei wurde ihr klar, was sie schon längst hätte tun sollen.
    Als sie abends nach Hause kam, wirkte Tim gerädert und sagte: »Ich glaube, Männer sind für Kinderlärm und Babygeschrei einfach nicht gemacht …«
    Außerdem entschuldigte er sich bei Anouk für sein wenig einfühlsames Verhalten in der letzten Zeit.
    Anouk wusste Tims Einsicht zu schätzen. Nichtsdestotrotz konfrontierte sie ihn mit ihrem Entschluss und sagte:
    »Ich liebe dich zwar, aber nicht in meiner Wohnung. Es ist besser, wenn du ausziehst.«
    Tim reagierte beleidigt. Er packte seine Sachen, zog zu einem Freund und erbat sich Bedenkzeit.
    Schließlich stand der Geburtstag von Maya und Fanny vor der Tür. Dexter war mit seinen Kindern für die Osterferien an die Ostsee gefahren. Wegen des Besuchs meiner Mutter blieben wir jedoch in Berlin. Ostersamstag holten wir sie mittags am Flughafen ab. Als sie in einem rosafarbenen Kostüm, mit einer haargesprayten Hochsteckfrisur und drei Koffern – für eine Woche Aufenthalt – in die Wartehalle trat, wurde mir mal wieder klar, wie wenig meine Mutter dem gängigen verklärten Großmutterbild einer geduldigen alten Dame mit weißhaarigem Dutt entsprach. Mithilfe von Schönheitskorrekturen verjüngt und körperlich fit, hatte sie noch viel vor im Leben. Stricken, Kirschkuchen backen oder ihren Enkelkindern Die kleine Hexe vorlesen stand aber nicht auf ihrer Agenda.
    »Meine Süßen!«, rief meine Mutter überschwänglich und drückte jedes der Kinder so fest an sich, dass sie sich Hilfe suchend nach mir umblickten.
    »Ihr werdet ja alle immer hübscher und kommt ganz nach eurer alten Großmama!«, fuhr sie fort und lachte kokett.
    Ich wusste, dass meine Mutter in dem Moment gern gehört hätte: »So alt bist du doch gar
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