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Wer hat Angst vorm boesen Wolf

Wer hat Angst vorm boesen Wolf

Titel: Wer hat Angst vorm boesen Wolf
Autoren: Karin Fossum
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Schritten und gespreizten Fingern. Knack knack, Errki geht, hin und her, wieder und wieder, von Zimmer zu Zimmer, knacketiknack.
    Er wußte nicht, wie lange er schon unterwegs war, aber schließlich faßte er Mut und blieb vor der Haustür stehen. Öffnete sie, vorsichtig. Hemmungslos ergoß sich der Sonnenschein über die Bäume. Er schlug die Augen nieder und trat vorsichtig auf die Steintreppe. Ging langsam durch das Gras. Blieb stehen, schnupperte in Richtung der Tannenzapfen über und der Buntnesseln und Farnsträucher unter ihm. Wurzel, Stengel und Blatt. Endlich war er wieder unterwegs. Wußte nicht, wohin, wußte nicht, was er vorhatte. Nestor lenkte seine Schritte den Hang hinab, zu den Häusern. Es war noch immer früh am Morgen. Ganz besonders morgenmuntere Menschen hatten wohl gerade ihre Füße auf den Boden gesetzt. Sie hatten die Vorhänge zur Seite geschoben und in den strahlenden Tag hinausgeblickt. Einen heißen Tag. Hell. Flimmernd und grün. Optimistisch schmiedeten sie Pläne für diesen Tag, zur Feier des schönen Wetters und des schmerzlich kurzen Sommers. Eine von denen, die da Pläne machten, war Halldis Horn. Sie lebte allein auf einem kleinen Hof, nicht weit von der alten Finnenrodung entfernt. Und als Errki die ersten Schritte durch das Gras machte, streifte sie sich gerade das Nachthemd über den Kopf.
    Ihre erste und auch ihre zweite Jugendblüte waren längst vorbei. Und sie war viel zu dick. Aber für einige wenige vorurteilslose Gemüter bot sie absolut einen Anblick. Groß und rund und hochbusig, mit einem grauen Zopf, der ihr wie eine Eisentrosse über den Rücken hing. Ihr Gesicht war rund und frisch, ihre Wangen rosig angehaucht, ihr Blick hatte sein scharfes Funkeln behalten.
    Sie ging durch Wohnzimmer und Küche und öffnete die Tür zum Hof. Hob das Gesicht in die Sonne. Blieb eine Weile auf der Treppe stehen, in karierter Schürze und Holzpantinen, und schaute sich aus zusammengekniffenen Augen um. An den
    Beinen trug sie braune Kniestrümpfe. Nicht, weil es kalt
    gewesen wäre, sondern weil sie wußte, daß Frauen in ihrem Alter besser nicht zuviel nackte Haut zeigen, und auch wenn nie ein Mensch herkam, abgesehen vom Kaufmann einmal die
    Woche, gab es doch immer den Herrgott mit seinem ewigen, allwissenden Blick. Was ja seine Vor- und Nachteile hatte, um es mal so zu sagen. Denn sie war zwar gläubig, kritisierte das göttliche Walten aber auch bisweilen voller Zorn und betete danach nicht um Vergebung. Jetzt starrte sie eine Löwenzahninvasion an. Überall wuchs Löwenzahn, er schien zu gedeihen wie Unkraut und drohte ihren ganzen gepflegten Hof zu ruinieren. Zweimal jeden Sommer rückte sie dem Unkraut mit einer Hacke zu Leibe. Ihren wütenden Hieben fiel eine Pflanze nach der anderen zum Opfer. Sie arbeitete gern, aber zwischendurch jammerte sie doch hin und wieder, um ihren seligen Ehemann daran zu erinnern, in was für Schwierigkeiten er sie gebracht hatte, als er einfach so über seinem Treckerlenker zusammengebrochen war. Und das nur, weil ein Gerinnsel von Reiskorngröße eine seiner Adern verstopft hatte. Daß ihr zäher, kräftiger Mann, dieser Muskelberg, sich davon hatte umwerfen lassen, begriff sie einfach nicht, auch wenn der Arzt versucht hatte, ihr den ganzen Prozeß zu erklären. Für sie blieb der Tod ihres Mannes so unbegreiflich wie die Tatsache, daß Flugzeuge nicht abstürzen, oder die, daß sie ihre Schwester Helga in Hammerfest anrufen und jedes Wort von deren quengelnder Stimme deutlich verstehen konnte.
    Aber jetzt mußte sie ans Werk, ehe es zu heiß wurde. Sie holte die Hacke und trug sie über den Hof. Überschattete ihre Augen mit der Hand und schaute sich um, um ihr Vorgehen zu planen. Beschloß, an der Treppe anzufangen und sich fächerförmig weiterzuarbeiten, vorbei am Brunnen und weiter in Richtung Vorratshaus. Im Flur fand sie Eimer und Harke. Sie arbeitete mit festem Rhythmus, hackte eifrig, bis sie müde wurde, zwei bis drei Hiebe pro Pflanze. Dann harkte sie in ruhigerem Tempo alles zusammen, füllte den Eimer und leerte ihn über dem Komposthaufen hinter dem Haus. Vom Staub bist du gekommen, dachte sie und schlug energisch auf den Eimerboden. Dann hackte sie weiter. Ihr breiter Hintern zeigte zum Himmel und wogte im Takt der Hacke. Ihre Schürze mit den roten und grünen Karos bewegte sich im Sonnenschein sanft hin und her. Ihre Stirn war schweißnaß, der Zopf fiel immer wieder über ihre Schulter nach vorn. Normalerweise steckte sie
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