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Wer hat Angst vorm boesen Wolf

Wer hat Angst vorm boesen Wolf

Titel: Wer hat Angst vorm boesen Wolf
Autoren: Karin Fossum
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ihn hoch, aufgerollt wie eine glatte Schlange, aber damit wollte sie bis nach dem Waschen warten.
    Sie hörte gern zu, wie die Hacke durch das Gras sauste, scharf wie eine Axt, sie hatte sie ja selbst geschliffen. Ab und zu traf sie einen Stein und jammerte ein wenig beim Gedanken an die papierdünne Schneide. Die Unkrautstengel blieben auf dem Schlachtfeld liegen wie gefallene Soldaten. Bei der Arbeit sang oder summte sie nie. Die Arbeit erforderte all ihre Konzentration, und außerdem konnte der Schöpfer sonst denken, sie habe ein wirklich schönes Leben, was Halldis doch für eine Übertreibung gehalten hätte. Erst nach dem Unkrautjäten wollte sie sich waschen und Frühstück machen. In Gedanken deckte sie schon den Tisch. Mit selbstgebackenem Brot und aus altem Ziegenkäse gekochtem Streichkäse.
    Sie richtete sich auf. Hoch über den Baumwipfeln schrien einige Vögel, und sie glaubte, ein Rascheln zu hören, als sei ein Tier durch das Blattwerk gehuscht. Dann war es wieder still. Aber sie blieb noch eine Weile stehen und sah sich um, sie erschlich sich einen Augenblick der Ruhe und ließ ihren Blick über den Wald gleiten, wo sie jeden einzelnen Baum kannte. Sie glaubte, in diesem vertrauten Muster aus schwarzen Stämmen etwas Dunkles zu sehen. Etwas, das vorher nicht dort gewesen war. Etwas, das dieses Muster brach.
    Sie versuchte, diese Unregelmäßigkeit zu fixieren, sie starrte hinüber, aber da sich nichts bewegte, tat sie es als Einbildung ab. Ihr Blick wanderte zum Brunnen. Das Gras überragte den Brunnendeckel, vielleicht sollte sie sich eine Schere holen und es stutzen. Doch dann bückte sie sich und arbeitete weiter, jetzt mit dem Rücken zu Treppe und Tür. Ihr breiter Hintern wurde von den schon zu dieser frühen Stunde kräftigen Sonnenstrahlen gebacken, und der Schweiß strömte ihr kitzelnd über die
    Innenseite der Oberschenkel. Das war das Leben der Halldis Horn. Ein Problem nach dem anderen zu lösen, so wie sie auftauchten, ohne zu klagen. Sie war ein Mensch, der die Schöpfung oder den Sinn des Lebens nie hinterfragte. Das gehörte sich nicht. Außerdem hatte sie Angst vor der Antwort. Mit wogendem Hintern hackte sie weiter. Und oben am Hang, hinter einem Baum versteckt, stand Errki und starrte sie an.

DIE FRAU FASZINIERTE IHN. Wie die wuchtigen Tannen schien sie aus der Erde zu wachsen. Hinter ihr hörte er ihr Geräusch, eine einsame, majestätische Posaune. Lange stand er dort oben und verschlang sie mit den Augen, ihre runden Schultern, ihr wehendes Kleid. Er sah sie nicht zum erstenmal. Diese Frau lebte allein, das wußte er. Sie sagte nur selten etwas und lauschte nur dem Wind oder den schreienden Elstern. Er ging einige Schritte weiter, Zweige knackten. Jetzt konnte er die Hacke deutlicher hören. Er starrte ihre Hände an, grobe Hände mit dicken Fingern. Die Schneide wurde mit einer gewaltigen Kraft, die nichts Weibliches hatte, durch das Unkraut bewegt. Als er, nun ganz und gar lautlos, weiterging, sah er, daß die Frau registriert hatte, daß sich ein lebendes Wesen näherte. Denn Menschen, die allein leben, entwickeln einen ganz besonderen Sinn für alles, was sie umgibt. Ihr Rhythmus änderte sich, wurde langsamer, dann schneller, schien abstreiten zu wollen, daß etwas passierte. Schließlich unterbrach sie ihre Arbeit und richtete sich auf. Entdeckte ihn. Erstarrte. Stand stocksteif, angespannt und mit wogendem Busen da. Eine von Furcht angeschlagene Saite zitterte zwischen ihnen. Die Hände der Frau umklammerten die Hacke. Ihre Augen waren einen Moment lang weit aufgerissen, dann wurden sie schmal und hart. Sie fürchtete sich nur selten auf dieser Welt, aber jetzt war sie sich nicht sicher.
    Er blieb stehen. Wollte sie weitermachen sehen. Er wollte ihr doch nur zusehen, wie sie diese einfache Arbeit verrichtete,
    wollte sich in den Rhythmus und ihren wogenden Hintern vertiefen. Aber Halldis hatte Angst. Errki spürte die vielen scharfen Signale, die sie aussandte, und blieb mit geballten Fäusten stehen, unfähig, sich zu bewegen. Ihre Blicke trafen ihn wie ein Pfeilregen.

DIE SONNE STIEG HÖHER. Brannte unbarmherzig auf Volk und Vieh und zundertrockenen Wald nieder. Gurvin, der Leiter der ländlichen Polizeidienststelle, saß allein und in Gedanken versunken in seinem Büro. Er öffnete einen Hemdknopf und blies sich kalte Luft auf die Brust. Sein Schweiß strömte nur so. Danach wollte er sich die Haare aus der Stirn streichen, aber sie fielen immer wieder zurück. Er
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