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Wer hat Angst vorm bösen Mann?

Wer hat Angst vorm bösen Mann?

Titel: Wer hat Angst vorm bösen Mann?
Autoren: Borwin Bandelow
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Da standen drei Beamte und guckten sich den Zettel an, den ich vor die Tür gelegt hatte: ‹Lieber Peter, ich bin in Bremen bei der Susanne, Gert.› Sie lasen die Nachricht – und gingen wieder weg. Ich habe dann den Staatsanwalt angerufen und ihm zu verstehen gegeben, dass ich das irgendwie unmöglich finde, so früh gestört zu werden. Er freute sich: ‹Ach, und jetzt sind Sie in Polizeigewahrsam?› Nee, meinte ich und erzählte ihm die Geschichte von den drei Beamten. Da war er sehr, sehr wütend und fragte: ‹Wo sind Sie jetzt?› Ich antwortete: ‹Appellieren Sie an meine Dummheit? Was für eine obszöne Frage!› Und schon war ich weg im Flugzeug nach Stuttgart.
    Danach wurde ich von Zielfahndern des Bundeskriminalamts gesucht. Diese Leute machen das ja sehr intensiv, dennoch wussten sie monatelang nicht, wo ich bin. Ich habe dann Gegenermittlungen eingeleitet: Wer sind diese Zielfahnder, wo leben die, was ist mit denen los? Eines Sonntagnachmittags habe ich den Leiter der Gruppe angerufen und gesagt: ‹Wie geht’s denn?› Der dachte, er spricht mit einem Kollegen und berichtete, seine Frau hätte gerade ein Kind bekommen. Ich fragte dann: ‹In der Sache Postel kommt ihr ja auch nicht weiter, oder?› Und schließlich sagte ich: ‹Hier ist Gert Postel.› Da war der wirklich ziemlich fertig.»
     
    Irgendwann wurde Gert Postel doch geschnappt. Das Urteil: vier Jahre. Vorzeitig wurde er auf Bewährung entlassen.
    Seinen Ausflug in das Reich der Nervenheilkunde beschreibt er in einem zweiten Buch, das den Titel
Doktorspiele
trägt, eloquent und mit trockenem norddeutschem Witz. [272] Ich frage mich, ob alles stimmt, was Postel behauptet. Doch kann man sich bei einem notorischen Schwindler sicher sein?
    Der frühere Chefarzt der Klinik in Zschadraß, Horst Krömker, gab zum Beispiel an, Postel habe nicht acht Mitbewerber bei seiner Einstellung gehabt – außer ihm sei gerade noch ein Kandidat dagewesen, ein Ungar, der der deutschen Sprache kaum mächtig gewesen sei und deswegen nicht genommen wurde. [273] Und was die C 4 -Professur in Arnsdorf anging, die er angeblich aus Bescheidenheit abgelehnt hatte, obwohl sie das sächsische Kabinett bereits durchgewunken hatte: Davon trat er wohl zurück, weil ihm der ärztliche Leiter unbequeme Fragen gestellt hatte, sodass er befürchtete, sein Schwindel könnte auffliegen. [274]
     
    «Haben Sie manchmal gedacht, dass Ihr Leben besser verlaufen wäre, wenn Sie versucht hätten, den ‹normalen› Weg zu gehen, also zum Beispiel mit Ihrer offensichtlich vorhandenen Intelligenz das Abitur nachzumachen und Medizin zu studieren?», will ich jetzt von meinen Gesprächspartner wissen.
    «Ich habe nur einen Volksschulabschluss. Ich litt an Dyskalkulie, an einer Rechenschwäche, ich hätte das Studium überhaupt nicht geschafft. Naturwissenschaft, das ist nicht meine Sache. Aber ich wollte Arzt werden, und ich wollte mir etwas beweisen.»
    «Wie erklären Sie sich, dass Ärzte, Theologen, Anwälte, Richter und Minister auf Sie hereinfallen konnten?», forsche ich nach.
    «Wie gesagt, ich habe ein extremes, fast krankhaftes Einfühlungsvermögen, und ich habe ein Gespür für andere; ich leide fast darunter», antwortet Postel. «Wichtig ist, im Gespräch eine angenehme Atmosphäre zu schaffen und auf ‹Altrozentrierung› zu achten. Man muss den anderen im Mittelpunkt stehen lassen, ohne einschleimend zu wirken.»
    Gert Postel [14]
    «Der Papst sprach Deutsch mit mir – es ging um Glaubensfragen»
    «Auch manche Frauen wussten von Ihrer Karriere, und sie haben sich trotzdem mit Ihnen eingelassen.»
    «Angebote auf meiner Fan-Homepage gibt es immer. Und nach meinen Lesungen ist es nicht anders. Das ist dieses Groupiehafte. Übrigens, meine Chancen bei Frauen waren nie größer als in der Oberarztzeit; die wollten mich alle sofort heiraten. Aber das fand ich sehr traurig, weil ja dadurch ersichtlich wurde, dass es gar nicht um mich ging, sondern um den Status.»
    «Haben Sie das ausgenutzt?»
    «Nein, überhaupt nicht», entgegnet Postel. «Das war ein völlig monastisches, zölibatäres Leben. Meine Oberarztstellung hat alle Triebe befriedigt.»
    «Stimmt es, dass Sie nach einer Verurteilung die Richterin zum Kaffee eingeladen haben?»
    «Ja, nach dem Verfahren, das eingestellt wurde. Ich war zwanzig, sie neunundzwanzig. Wir hatten sieben Jahre lang eine Beziehung.»
    «Und stimmt es auch, dass eine Leipziger Staatsanwältin Sie vor der drohenden Verhaftung
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