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Wer hat Angst vorm bösen Mann?

Wer hat Angst vorm bösen Mann?

Titel: Wer hat Angst vorm bösen Mann?
Autoren: Borwin Bandelow
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denn unverständliche Verhaltensweisen von Menschen lassen sich auf archaische Anteile unseres Denkorgans zurückführen.
    Um dieses Geheimnis zu ergründen, analysierte ich Berichte von Gewaltopfern in Hinblick auf offene und versteckte Hinweise, die mir helfen konnten, dem Mysterium auf die Spur zu kommen, warum Menschen zu brutalen Vergewaltigern, Mördern oder Hochstaplern eine unerklärliche Bindung entwickeln. Ich kontaktierte Menschen in mehreren Ländern der Erde, die Betroffene von Entführungen und anderen Verbrechen waren. Ich redete mit Mördern und Hochstaplern und interviewte Zeitzeugen.
    Auf der Suche nach dem Ursprung der merkwürdigen Beziehung, die sich zwischen Kidnappern und Geiseln bildet, stieß ich auf unglaubliche Geschehnisse, unaussprechliche Dinge und tiefe Abgründe der menschlichen Seele. Diese Gespräche führte ich nicht in meiner Rolle als Arzt – denn dann hätten sie meine Schweigepflicht berührt –, aber dennoch mit dem Hintergrundwissen eines Psychiaters.
    Nicht immer war die Recherche einfach. Viele Opfer berühmter Kriminalfälle schotten sich verständlicherweise ab, da sie leidvolle Erfahrungen mit aufdringlichen und neugierigen Journalisten gemacht und sich entschlossen haben, ihre Privatsphäre zu schützen. Und manche von ihnen möchten nicht wieder an ihre früheren schmerzlichen Erlebnisse erinnert werden.
    Um dem Phänomen der menschlichen Hörigkeit näher auf den Grund zu kommen, habe ich mit Menschen gesprochen, die mich zutiefst beeindruckt haben. Meine Reise in die Katakomben der menschlichen Seele hat nicht immer zum Ziel geführt. Fragen blieben unbeantwortet, Rätsel ungelöst. Aber vielleicht bin ich am Ende ein klein wenig einem Geheimnis auf die Spur gekommen, das sich tief in den verschlungenen Nervensträngen unseres Gehirns verbirgt. Wenn wir auch weit davon entfernt sind, das Böse im Menschen zu ergründen, hoffe ich, meinen Lesern ein wenig näherbringen zu können, warum wir uns durch Satans sympathische Seiten verführen lassen.

[zur Inhaltsübersicht]
1 . Satans sympathische Seiten
    Please allow me to introduce myself
    I’m a man of wealth and taste
    I’ve been around for a long, long year
    Stole many a man’s soul and faith
    The Rolling Stones, «Sympathy For The Devil»

Vom Totmacher zum Talkshowgast
    Eine neue Packung Rasierklingen liegt bereit.
Auch eine lange, starke Lederschnur.
Ich habe vorgesorgt für die Minute
der letzten Entscheidung.
    Jack Unterweger, Fegefeuer
    Während im Jahr 1991 in den Lichtspieltheatern
Das Schweigen der Lämmer
läuft, geht im Wienerwald ein Prostituiertenmörder um. Die Frauen, die nervös auf dem Straßenstrich in Wien ihrem Geschäft nachgehen, werden von einem Reporter des österreichischen Rundfunks ORF gefragt, was sie dabei empfinden, wenn immer wieder eine ihrer Kolleginnen ermordet aufgefunden wird. Dem kleinen, aber gutaussehenden Jack Unterweger vertrauen sie ihre Ängste an. Er spricht ihre Sprache und hat Verständnis für sie, denn seine Tante war ebenfalls eine Hure gewesen, die von einem Freier getötet worden war. Auch interviewt er den Leiter der Kriminalpolizei, der mit der Ermittlung dieser Prostituiertenmorde beauftragt ist, zu den neuesten Erkenntnissen der Spurensicherung.
    Er weiß tatsächlich, wovon er redet. Vor einem Jahr war er aus dem Gefängnis entlassen worden, wo er wegen Mordes gesessen hatte.
    1974 wird die achtzehnjährige Prostituierte Margaret Schäfer in Hessen tot aufgefunden. Der Österreicher Johann «Jack» Unterweger hatte das Mädchen in einer frostigen Winternacht in einen Wald gelockt und gezwungen, sich trotz Schneefalls und eisiger Kälte nackt auszuziehen. Dann schlug er über Stunden vierzigmal mit einer Teleskop-Stahlrute auf Margaret Schäfer ein, um sie schließlich mit ihrem Büstenhalter zu erdrosseln. Motiv? Das Opfer habe ihn an seine Mutter erinnert. Psychiatrische Gerichtsgutachter hielten ihn für einen «unverbesserlichen Gewohnheitsverbrecher, bei dem mit Sicherheit Rückfälle zu erwarten sind», bei dem eine «enorme Aggressivität» sowie eine «sexuelle Perversion mit einer sadistischen Komponente» bestehe. [1]
    Unterweger wird zu lebenslanger Haft verurteilt, die er 1976 antritt. Ein Jahr vor dem Mord an der Deutschen war Unterweger zudem verdächtigt worden, eine Salzburgerin getötet zu haben. Nachdem die polizeilichen Untersucher von dem Fall abgezogen wurden, weil er ja ohnehin schon lebenslang bekommen hatte, konnte ihm die Tat nicht
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