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Wer hat Angst vorm bösen Mann?

Wer hat Angst vorm bösen Mann?

Titel: Wer hat Angst vorm bösen Mann?
Autoren: Borwin Bandelow
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Teil hochgebildeten Opfer täuschen konnten.
    Manche Hochstapler sind aber auch hochintelligent. Mit großer sozialer Kompetenz, sicherem Auftreten, einem unheimlichen Gespür für die wunden Punkte ihrer Mitmenschen und einer unerschöpflichen Phantasie ausgestattet, gelingt es ihnen, ihre Opfer um Millionen zu betrügen oder durch spektakuläre Aktionen den Weg in die Medien zu finden.
    Allerdings fragt man sich immer wieder, warum diese Menschen ihre Intelligenz nicht ausnutzen, um einem ehrlichen Beruf nachzugehen. Es wäre zu einfach, Hochstapler als Kriminelle abzutun, die mit möglichst wenig Arbeit einen möglichst hohen Gewinn erzielen wollen und dabei planmäßig und gezielt vorgehen. Es ist sicher auch nicht so, dass Pseudologen kein soziales Gespür haben. Im Gegenteil: Ihre Fähigkeit, die Gedanken ihres Opfers zu erspüren und zu manipulieren, kann geradezu übersinnlich sein.
    Hinter den manchmal lustigen Hochstaplergeschichten verbirgt sich meist ein tragischer Fall einer kranken Persönlichkeit.
    Das vorausschauende Denken fehlt ihnen völlig, ihnen geht es um den schnellen Aufstieg, den rasanten Endorphin-Kick, wobei sie mögliche schreckliche Folgen für ihr Leben und ihre Reputation komplett ausblenden. Letztlich sind sie zum Scheitern verurteilt und legen einen grandiosen Absturz vom Leben auf der Überholspur zum Wohlfahrtsempfänger hin. Aber selbst wenn sie sich eines Tages statt mit Foie gras und Austern in St. Tropez mit Formvorderschinken und Analogkäse aus der Knastküche zufriedengeben müssen, kommt ihnen niemals der Gedanke, dass irgendetwas an ihrem Lebensplan falsch ist.

Doktorspiele
    In einem Ort mit dem konsonantenreichen Namen Zschadraß planten im Jahr 1996 mehrere psychisch kranke Straftäter einen Ausbruch aus der forensischen Abteilung des psychiatrischen Krankenhauses. Als Termin wählten sie planvoll den Ostersonnabend, weil an diesen Tagen die Besetzung des Aufsichtspersonals wahrscheinlich besonders dünn sein würde.
    Der Oberarzt Dr. P. bekam Wind von den Entweichungsplänen der nicht ungefährlichen Patienten – unter ihnen unberechenbare schizophrene Mörder und Triebtäter. Da der Direktor der Klinik im Urlaub war, musste P. entschlossen handeln. Er schickte ein eiliges Fax an das Justiz- und Sozialministerium, worauf ein Sondereinsatzkommando der Polizei geschickt wurde. Die Rädelsführer des Komplotts wurden in Gewahrsam genommen und auf andere, besser gesicherte Anstalten in Sachsen verteilt.
    Wenige Tage nach der glücklichen Vereitelung des Ausbruchs, der sicher zu einer erheblichen Gefährdung der Öffentlichkeit geführt hätte, erhielt der Oberarzt P. eine Einladung in das Ministerium. Er erwartete, dass man mit ihm Sicherheitsfragen im Maßregelvollzug besprechen wolle. Überraschenderweise wurde sein überlegtes Handeln zwar gelobt, dies war aber nur Nebenthema der Vorladung. Da man nicht nur in der Ausbruchsaffäre, sondern auch sonst nur Gutes über ihn gehört habe, schlug man P. vor, die Direktion der forensischen Abteilung der psychiatrischen Klinik in Arnsdorf bei Dresden zu übernehmen, einschließlich der damit verbundenen Universitätsprofessur. Der Ministerialbeamte hatte keine Ahnung, wem er gerade eine gutdotierte Spitzenposition angeboten hatte: einem bundesweit bekannten Hochstapler mit langem Vorstrafenregister.
    Gert Uwe Postel hatte keine Facharztausbildung, er hatte auch nicht Medizin studiert, er hatte nur einen Volksschulabschluss und eine Ausbildung als Briefträger. Da ihm diese Tätigkeit zu langweilig und anspruchslos erschien, fälschte er 1977 ein Abiturzeugnis, um eine Ausbildung als Rechtspfleger beginnen zu können. Der Betrug flog nach einigen Monaten auf. Eine Verurteilung wegen Urkundenfälschung und unbefugter Titelführung bremsten den genialen Hochstapler aber nicht aus. Postbote Postel begann mit Hilfe falscher Papiere ein Studium der Theologie in Münster. Es dauerte nicht lange, und Frankfurter Jesuiten ermöglichten dem vermeintlichen Theologiestudenten sogar eine Audienz beim Papst.
    Immer wieder gestaltete er sein Curriculum Vitae zu seinen Gunsten um: Er ernannte sich selbst zum Assistenzarzt, seinen Vater, einen Kfz-Mechaniker, beförderte er zum Theologieprofessor und seine Mutter, eine Schneiderin, zum Mannequin.
    In Neuenkirchen bei Oldenburg legte er bei der Ärztekammer eine manipulierte Approbationsurkunde vor und betätigte sich als praktischer Mediziner. Kurze Zeit später bekam er die Stelle eines
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