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Wer Blut vergießt

Wer Blut vergießt

Titel: Wer Blut vergießt
Autoren: Deborah Crombie
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ironischem Lächeln, während er Geordie von der Leine nahm und den Tennisball aus der Anoraktasche zog.
    Geordie machte sogleich brav »Sitz« und bellte in freudiger Erwartung. Dieses kostbare Objekt war kein gewöhnlicher Tennisball, sondern ein Hundeball, knallpink und grün, die Außenhaut rissig, der Quietscher längst herausgerissen – und doch liebte Geordie die leere Hülle aus seinem ganzen kleinen Cockerspaniel-Herzen.
    Kincaid warf den Ball, und Hund wie Mädchen jagten hinterdrein, Geordie aufgeregt kläffend, Charlotte schrill kreischend. Natürlich erreichte Geordie ihn als Erster, und sofort entspann sich eine wilde, ausgelassene Jagd.
    Kincaid war am Rand einer grasbewachsenen Senke nahe dem Nordrand des Parks stehen geblieben, und das Spiel gab ihm Gelegenheit, Atem zu schöpfen und sich dabei ein wenig unter den anderen Parkbesuchern umzuschauen. Er sah zu, wie sie joggten, spazieren gingen oder Frisbees für ihre Hunde warfen, während ein paar ganz Abgehärtete einfach nur dasaßen und sich die willkommene Wintersonne ins Gesicht scheinen ließen. Musste hier eigentlich keiner arbeiten? Ein Mann und eine Frau kamen aus verschiedenen Richtungen aufeinander zu und blieben stehen, scheinbar nur für ein paar beiläufige Worte, doch als die Frau sich umsah, wirkte ihr Blick verstohlen. Dann nahm sie den Arm des Mannes, und sie gingen zusammen weiter.
    Ein heimliches Stelldichein, dachte Kincaid und schalt sich gleich darauf für seinen eigenen Argwohn. Da kam wieder der Kriminalbeamte in ihm durch – offenbar gelang es ihm immer noch nicht, vom Dienst abzuschalten. Dabei nützte ihm sein Polizisteninstinkt dieser Tage herzlich wenig, wenngleich es eine gehörige Portion Wachsamkeit erforderte, auf drei Kinder im Alter von drei, sechs und vierzehn Jahren aufzupassen.
    Als er und Gemma gegen Ende des vergangenen Sommers Charlotte in Pflege genommen hatten, waren sie übereingekommen, dass zunächst Gemma in Elternzeit gehen würde. Falls sich später herausstellen sollte, dass Charlotte sich immer noch nicht an eine Betreuung außer Haus gewöhnen konnte, würde Gemma wieder arbeiten gehen, und Kincaid würde für den gleichen Zeitraum Erziehungsurlaub nehmen.
    Allerdings war es nicht ganz so gelaufen, wie sie es geplant hatten.
    Statt ihren Dienst als Detective Inspector auf dem Polizeirevier Notting Hill wieder antreten zu können, war Gemma gebeten worden, kurzfristig in einem Mordermittlungsteam in South London einzuspringen, und zwar im Rang eines stellvertretenden Detective Chief Inspector.
    Kincaid hatte mit Stolz – und auch mit ein wenig Neid – verfolgt, wie sie sich in ihren neuen, anspruchsvollen Job eingearbeitet hatte. Und während er anfangs Mühe gehabt hatte, sich in der Rolle als Hausmann und Vater in ihrer Patchworkfamilie zurechtzufinden, hatte er auch festgestellt, dass er die Kinder dadurch auf eine Art und Weise kennenlernte, wie er es sich nie hatte vorstellen können, als ihn seine eigene Arbeit noch voll und ganz in Anspruch genommen hatte.
    Aber dann war seine Elternzeit zum Ersten des Jahres ausgelaufen, und es hatte sich gezeigt, dass Charlotte doch noch nicht reif für die Tagesbetreuung war. Eine Woche lang hatten sie es in der Schule in ihrem Viertel versucht – es war eine Katastrophe. Charlotte war untröstlich gewesen und hatte die ganze Woche lang von morgens bis abends nur geheult. Schließlich hatte sogar die Erzieherin ihnen nahegelegt, dass das Mädchen vielleicht noch etwas mehr Zeit in seinem neuen Zuhause brauchte, ehe man es dem Stress einer ungewohnten Umgebung aussetzte. Die ausgeprägte Trennungsangst von Kindern wie Charlotte, die einen sehr schweren Verlust erlitten hatten, verlange sehr viel Zeit und Geduld, hatte Miss Love ihnen in dem belehrenden Ton erklärt, der normalerweise für ihre Schützlinge vorbehalten war.
    Als ob sie das nicht selbst wüssten, hatte Kincaid gedacht und sich auf die Zunge gebissen.
    Jetzt war es Mitte Januar, und Kincaid fragte sich allmählich, wie lange sein Geduldsvorrat noch reichen würde. Er vermisste seine Arbeit, und gleichzeitig bereitete es ihm Sorge, dass die Arbeit ihn offenbar nicht zu vermissen schien.
    »Papa, bist du traurig?«, fragte Charlotte. Das Ballspiel hatte offenbar seinen Reiz schon wieder verloren. Sie kniete neben einem Laubhaufen unter einem Baum und betrachtete Kincaid eingehend mit ihren leuchtenden blaugrünen Augen, die sich auffallend von ihrer hellbraunen Haut abhoben. Charlotte hatte
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