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Wer Blut vergießt

Wer Blut vergießt

Titel: Wer Blut vergießt
Autoren: Deborah Crombie
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war.
    »Joe?«
    »Ich wusste, dass du es bist, als ich das Plakat für die Band gesehen habe. Ich wusste, dass du eines Tages zurückkommen würdest.« Joe lächelte und ließ seine weißen, ebenmäßigen Zähne sehen, die nicht so recht zu seinem eher verwahrlosten Äußeren zu passen schienen. »Ich dachte mir, wir könnten vielleicht zusammen einen trinken. Auf die alten Zeiten, hm? Oder bist du jetzt zu gut für uns? Andy, der Rockstar.«
    Das Kinnbärtchen. Joe. Es war tatsächlich dieser verdammte Joe, und er bot ein noch jämmerlicheres Bild als damals. »Die alten Zeiten? Du miese Ratte.« Er wusste, dass er schrie, aber es war ihm egal. »Du – Wie kommst du darauf, dass ich deine blöde Fresse jemals wiedersehen will?« Andy sah die Umstehenden nur als verschwommene Masse durch den rotglühenden Nebel seiner Wut.
    »He, Mann, das ist doch Jahre her!« Joes Ton hatte jetzt etwas Einschmeichelndes. »Alles Schnee von gestern. Können wir das nicht einfach ver–«
    »Vergessen? Das könnte dir so passen!« Andy spuckte ihn an und ballte unwillkürlich die Fäuste. Nick näherte sich ihm von hinten und murmelte etwas, doch Andy stieß ihn mit der Schulter zurück.
    »Ich wollte doch nur, dass wir Freunde sind, weiter nichts …«
    »Freunde? Freunde? Das hättest du dir vielleicht damals überlegen sollen, meinst du nicht?« Andy war plötzlich ganz kalt, und alles um ihn herum verblasste, bis er nichts mehr wahrnahm als dieses Summen in seinen Ohren. Er wollte nur noch, dass dieses Gesicht aus seinem Blickfeld verschwand. »Verpiss dich einfach, okay?« Seine rechte Faust krachte in Joes Gesicht.
    Dann schlang Nick die Arme um ihn und zerrte ihn rückwärts durch das Gewirr von Kabeln, um ihn auf seinem Verstärker abzusetzen.
    Ein neues Gesicht tauchte über ihm auf, ein Mann mit weißen Haaren, der ihn mit dröhnender Stimme zurechtwies. »… solches Benehmen in einem öffentlichen Lokal nicht dulden … man sollte die Polizei rufen … die Gäste verprügeln, Sie Rowdy.«
    »Rowdy?« Andy brachte ein ersticktes Lachen hervor. »Sie haben doch keine Ahnung. Wer sind Sie überhaupt?« Er versuchte aufzustehen, um diesem Wichser so richtig die Meinung zu sagen, doch Nick hielt ihn immer noch fest an den Schultern gepackt.
    »Lassen Sie den Jungen in Ruhe.« Das war Tams Stimme. »Und passen Sie bloß auf seine Gitarre auf«, fügte er hinzu. Sein angespanntes Gesicht tauchte über Andy auf, als er ihm den Umhängegurt der Strat über den Kopf zog und sie auf dem Ständer abstellte. »Und du, Jungchen, raus mit dir«, befahl er und zog Andy mit einem Ruck auf die Beine. Die Menge teilte sich, als Tam ihn in Richtung Ausgang schob. Von Joe und dem weißhaarigen Mann war nichts mehr zu sehen.
    Tam bugsierte ihn durch den Seitenausgang auf die Church Road hinaus, und Andy schnappte nach Luft, als ihm die plötzliche Kälte entgegenschlug. Aus dem Nieselregen war Nebel geworden, dicht wie Watte.
    Tam drehte Andy zu sich herum, sodass er ihn ansehen musste, und schüttelte ihn. »Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht? Erst lässt du diese Idioten den Gig sabotieren, und dann fängst du auch noch eine verdammte Kneipenschlägerei an?« Der Nebel dämpfte seine Stimme, doch Andy hatte Tam noch nie so wütend gesehen.
    »Ich …«
    »Erzähl mir bloß nicht, dass du dir die verdammte Flosse gebrochen hast«, fuhr Tam mit etwas sanfterer Stimme fort, doch der Glasgower Akzent war immer noch sehr ausgeprägt. »Zeig mal her.«
    Andy hielt seine rechte Hand hoch. Er wunderte sich, dass er gar keine Schmerzen gespürt hatte.
    »Kannst du die Finger bewegen?«
    Andy wackelte versuchsweise mit den Fingern und nickte. Dann drückte er die Hand, die auf einmal teuflisch wehtat, an seine Brust.
    »Eis. Du tust am besten Eis drauf.« Tams Stimme war jetzt wieder stahlhart. »Aber erst erzählst du mir, was da drin los war. Und du kannst heilfroh sein, dass Caleb Hart gegangen ist, bevor du deine kleine Nummer abgezogen hast.«
    »Die zwei waren stinksauer, Nick und George«, sagte Andy in der Hoffnung, Tam von dem abzulenken, was hinterher passiert war. »Ich finde, sie haben das Recht …«
    »Sie haben das Recht, samstags in ihren popeligen Eckkneipen zu spielen, wenn ihnen das Spaß macht. Sie sind Amateure. Aber du …« Tam bohrte Andy den Finger in die Brust und verfehlte nur knapp dessen verletzte Hand. »Du hast heute gerade noch mal die Kurve gekriegt. Caleb will immer noch, dass du morgen mit dem Mädel spielst,
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