Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer Blut vergießt

Wer Blut vergießt

Titel: Wer Blut vergießt
Autoren: Deborah Crombie
Vom Netzwerk:
kleinen Satz mit solcher Ernsthaftigkeit aus, dass er fand, er verdiene eine angemessen kluge Erwiderung. Aber leider war sein Mund mit einem Mal wie ausgetrocknet, und die Zunge klebte ihm am Gaumen. »Hier draußen ist es kühler«, brachte er schließlich krächzend heraus.
    Sie schien darüber nachzudenken. »Was ist mit eurem Garten?«, fragte sie. »Da müsstet ihr doch um diese Tageszeit Schatten haben.«
    »Da hinten gibt es nichts zu sehen.« Ihre Wohnung hatte Zugang zu dem langen, schmalen Garten hinter dem Haus, aber er war verwahrlost und von Unkraut überwuchert. Gartenarbeit gehörte nicht gerade zu den Stärken seiner Mutter.
    »Das stimmt allerdings.« Ihr Lächeln war flüchtig und unpersönlich, und er war sich sicher, dass sie ihn für einen Schwachkopf halten musste. Doch als sie den Schlüssel im Schloss umdrehte, blickte sie sich noch einmal zu ihm um, als ob sie einem plötzlichen Impuls folgte. »Übrigens«, sagte sie, »ich bin Nadine. Ich habe kalte Limonade im Kühlschrank. Ich könnte dir eine rausbringen, wenn du magst.«
    Es gab doch kaum etwas Schöneres als so einen knackig kalten Wintertag im Hyde Park, dachte Duncan Kincaid.
    Schon als kleiner Junge in Cheshire hatte er die winterkahlen Bäume vor dem Hintergrund des klaren, blassblauen Himmels der üppigen Pracht des Sommers vorgezogen. Und offensichtlich war er nicht der Einzige, der den ersten schönen Tag nach zwei Wochen scheußlichsten Januarwetters genießen wollte – der Park war voll von Menschen, die joggten, ihre Hunde ausführten oder mit ihren Kindern spazieren gingen.
    Er selbst gehörte sozusagen zu allen drei Kategorien gleichzeitig.
    »Papa«, sagte Charlotte in ihrem Buggy, »ich will die Pferde sehen.«
    »Du willst immer die Pferde sehen«, neckte er sie. Seit einiger Zeit sagte sie Papa zu ihm. Nicht Dad , wie Kit, oder Daddy , das Wort, das Toby abwechselnd mit Duncan benutzte. Er hatte Louise Phillips, die Anwaltskollegin von Charlottes verstorbenem Vater, gefragt, ob Charlotte Naz so genannt habe, doch sie hatte verneint; aus Charlottes Mund habe sie immer nur das pakistanische Abba gehört. Dann musste sie den »Papa« wohl aus einem ihrer Bilderbücher haben – vielleicht sogar aus Alice im Wunderland , das immer noch ihre Lieblingsgeschichte war. Inzwischen hatten sie es schon so oft gelesen, dass er glaubte, jeder einzelne Satz müsse sich unauslöschlich in sein Gehirn eingebrannt haben.
    »Pferde sehen«, fügte Charlotte kichernd hinzu. »Pferde sehen ist besser als Fernsehen.« Für eine Dreijährige hatte sie schon einen ausgeprägten Sinn für Humor und konnte sich besonders über Sprachspielereien amüsieren. »Bob will auch Pferde sehen«, stellte sie sodann fest und setzte sich ihren zerrupften Plüschelefanten auf dem Schoß zurecht, damit er die Aussicht besser genießen konnte. Charlotte hatte anfangs gegen den Kinderwagen protestiert und darauf beharrt, sie sei alt genug, um selbst zu gehen, und Kincaid hatte sie nur überzeugen können, indem er erklärt hatte, Bob würde doch sicher gerne in einem Buggy fahren, der auch »Bob« hieß – eine Marke, die bei den jungen Eltern von Notting Hill sehr beliebt war.
    Kincaid verlangsamte seinen Schritt auf Spaziergeschwindigkeit, und selbst Geordie, der Cockerspaniel, schien für die Verschnaufpause dankbar zu sein. Terrierhündin Tess blieb zu Hause, wenn Duncan mit Charlotte und Geordie joggen ging, da sie mit ihren kurzen Beinchen nicht mithalten konnte.
    Jetzt blickte Geordie mit heraushängender Zunge fragend zu Kincaid auf. »Du bist auch schon ganz wild auf die Pferde, was, Junge?«, fragte Kincaid. Er hatte zu seinem Verdruss feststellen müssen, dass der Anblick und der Geruch von Pferden ihren sonst so gutmütigen Hund in ein kläffendes, geiferndes Ungeheuer verwandelten. Geordie überschätzte ganz offenbar seine Körpergröße, jedenfalls im Verhältnis zu seiner Angriffslust.
    »Heben wir’s uns für nächstes Mal auf, ja?«, schlug er Charlotte vor und schob den Buggy vom Weg auf den Rasen. »Du könntest stattdessen ein bisschen für Geordie den Ball werfen.«
    Ihr üppiger karamellfarbener Lockenschopf kitzelte ihn an der Nase, als er ihren Gurt aufschnallte und sie schwungvoll aus dem Wagen hob, um sie auf dem Boden abzusetzen. Er konnte den Duft des Bio-Babyshampoos riechen, das er ihr zu Gemmas Erheiterung gekauft hatte, vermischt mit einem undefinierbaren Hauch des Exotischen. Essence de Charlotte , dachte er mit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher