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Wer anders liebt (German Edition)

Wer anders liebt (German Edition)

Titel: Wer anders liebt (German Edition)
Autoren: Karin Fossum
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Jungen stimmte ihn unendlich traurig.
    »Ja«, sagte er müde. »Jetzt gibt es Krach.«
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    Die Leute fällten ihr Urteil über die Erwachsenen und die Kinder.
    Mit Sverre und Isak stimmte doch etwas nicht, sie waren üble Ladendiebe, und mit ihren Eltern stimmte auch etwas nicht, die hatten versagt. Die Leute brauchten eine Erklärung und glaubten, eine gefunden zu haben.
    Kristine Ris hatte etwas anderes gefunden, ihr war schwindlig vor Glück. Sie stand vor dem Schlafzimmerspiegel und betrachtete ihren Körper, sie wurde von etwas Neuem, Seltsamen umgetrieben. Ein Stolz und eine Stärke, von denen sie nicht gewusst hatte, dass sie sie besaß, füllten ihren Kopf und ihren Körper, und sie schritt zur Tat. Sie riss die Kleiderschranktür auf. Oben lag ein brauner Koffer, sie zog ihn heraus und warf ihn aufs Bett, fing an, ihn mit Wäsche zu füllen. Jetzt gehe ich, dachte sie, ganz schnell, während er unterwegs ist, dann erspare ich mir seine Vorwürfe. Ich werde gut zurechtkommen, ich werde ohne ihn besser zurechtkommen. Die ganzen Jahre lang habe ich mich zurückgenommen, jetzt will ich mir ein eigenes Leben aufbauen, ohne dass er bestimmt, und in gewisser Weise habe ich ihn ja hinters Licht geführt, aber ich fühle mich nicht schuldig. Er wird mich in Grund und Boden verdammen, aber dann sage ich die Wahrheit, dass ich in diesem Haus nicht mehr leben kann. Vage dachte sie, dass er ihr sicher Schwierigkeiten bereiten würde, aber damit würde sie dann eben fertigwerden müssen, sie hatte doch Rechte, und es gab auch Hilfsangebote. Sie faltete Unterwäsche und Strümpfe zusammen. Hosen und Blusen, einen Morgenrock, ein Nachthemd, sie suchte einige wenige Toilettensachen zusammen. Das, was sie in den ersten Tagen brauchen würde. Sie ging zurück ins Wohnzimmer, zum Schreibtisch, hob den Telefonhörer von der Gabel und bestellte ein Taxi, stand am Fenster und wartete, spürte, wie die Sonne sie wärmte. Sie wollte hinaus ins Licht.
    Sie hatte auf dem Couchtisch eine kurze Nachricht hinterlassen.
    Ich gehe jetzt, ich will mein eigenes Leben leben .
    Sie sah ihn vor sich, während er die wenigen Worte las. Er würde trotzig die Zähne zusammenbeißen, und eine Verwünschung würde zwischen den Wänden widerhallen. Das Taxi kam, sie stieg ein, und bald glitten sie auf die Straße hinaus, sie schloss die Augen und ließ alles auf sich einwirken, die plötzliche Freiheit und alles, was kommen würde. Die Fahrt zum Motel dauerte eine halbe Stunde. Das Motel bestand aus acht winzigen gelben Hütten, in jeder Hütte gab es zwei schlichte Betten, ein Waschbecken und einen Spiegel.
    Neben den Hütten lag eine Tankstelle mit einem Imbiss, wo sie essen konnte. Sie holte sich an der Rezeption den Schlüssel und schloss die Tür zu dem einfachen Zimmer auf, stellte den Koffer auf dem Boden ab und legte sich aufs Bett. Mein Herz, dachte sie, wie das klopft. Vorsichtig legte sie die Hand auf ihren Bauch, da innen wuchs es, und im Winter würde es strampeln. Alles würde ans Licht kommen und Reinhardt würde wütend sein, die Angst vor dem, was passieren konnte, durchfuhr sie. Dann verdrängte sie ihre Ängste. Mein Kind, dachte sie, mein Kleines.
    Aus der Nachbarhütte hörte sie gedämpftes Lachen.
    51
     
    »Woran denkst du?«, fragte Sejer.
    »Ich denke an den Zorn meines Vaters«, sagte Skarre. »Der war beängstigend. Nichts habe ich mehr gefürchtet. Er war ein autoritärer und überaus altmodischer Mann, und ich wurde dazu erzogen, ihn zu fürchten und zu lieben. Wenn er wütend wurde, machte er immer eine Verwandlung durch, er wurde, ihm wahrsten Sinne des Wortes, eine Nummer größer. Dann öffnete er den Mund, und es folgte eine Donnerpredigt, die mir die Locken vom Kopf fegte, danach kehrte er mir den Rücken zu und ging nach oben. Ich hörte seine Schritte und die knallenden Türen. Nach einer Weile hörte diese Wanderung dann auf, und er kam wieder nach unten, um die Strafe zu verkünden, die konnte sich auf eine oder zwei Wochen Hausarrest belaufen oder auf Verlust des Taschengeldes.«
    »Sverre ist von seinem Vater geschlagen worden«, sagte Sejer.
    »Das weiß ich«, sagte Skarre. »Was sollen wir machen?«
    »Ich habe ihm meine Telefonnummer gegeben. Vielleicht ruft er an.«
    »Hier gibt es nicht viel Bosheit«, sagte Skarre. »Nur Angst.«
    Er sah seinen Chef an.
    »Du, ich muss dir etwas sagen. Erinnerst du dich an Andor? Andor, der uns am Knabenstrand begegnet ist?«
    »Sicher erinnere ich mich an
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